Den Unions-Parteien CDU und CSU und der SPD ist auch am Montag in Berlin noch kein Abschluss ihrer Koalitionsverhandlungen gelungen. Nach stundenlangem Ringen in der SPD-Zentrale beschlossen die Parteien, am Dienstag erneut zu verhandeln.
Dann soll im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, ein erneuter Versuch unternommen werden, eine Einigung vor allem in den letzten Streitfragen in der Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik zu finden. Man wolle am Dienstag zum Abschluss kommen, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Es gebe aber noch einige strittige Punkte.
In der SPD-Zentrale gingen aber die Beratungen in der 15er-Spitzengruppe und auch der Runde der drei Parteivorsitzenden nach Angaben aus Verhandlungskreisen zunächst weiter.
Versicherung weiterhin Streitpunkt
Am Nachmittag und frühen Montagabend hatten Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, SPD-Chef Martin Schulz und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sowie die 15er-Spitzenrunde in wechselnden Formaten immer wieder offenbar vergeblich versucht, den Stillstand in den Gesprächen zu überwinden.
Man wolle durchaus Reformen im Gesundheitsbereich, allerdings keine teuren «Einheitszwangsmassnahmen«, die für alle teurer würden, sagte CDU-Vize Julia Klöckner. Wichtig sei aber eine Reform der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum und bei den Wartezeiten gesetzlich Versicherter.
Nach Angaben von SPD-Vizefraktionschef Karl Lauterbach würde eine gemeinsame Honorarordnung für gesetzlich und privat Versicherte die gesetzliche Krankenversicherung drei Milliarden Euro kosten.
Abschliessende Verständigungen fehlen auch bei den Themen Aussen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik. Die drei Parteien hatten eigentlich am Sonntag ihre Gespräche abschliessen wollen, aber bereits zwei «Reservetage» vereinbart.
Union: SPD krebst immer wieder zurück
Als ein Problem wurde in Unionskreisen bezeichnet, dass SPD-Chef Schulz Zusagen in engsten Beratungen nach Absprachen mit anderen SPD-Politikern immer wieder zurückziehen müsse.
Nach einer inhaltlichen Einigung müssen auch noch der Ressortzuschnitt und die Verteilung der Ministerien auf CDU, CSU und SPD festgelegt werden.
Sollte der Koalitionsvertrag zustande kommen, müssen zudem die SPD-Mitglieder noch zustimmen. Für den Mitgliederentscheid werden etwa drei Wochen veranschlagt. Erst danach könnte eine neue Bundesregierung gebildet werden.
Kein Spardiktat mehr für Europa
Der Entwurf eines Koalitionsvertrages soll bereits an die 200 Seiten erreicht haben. SPD-Chef Schulz berichtete, es gebe eine endgültige Einigung beim Europa-Kapitel. Er sprach von einem «Ende des Spardiktats». Dies wurde umgehend vom CDU-Wirtschaftsrat kritisiert.
Zudem wurden weitere Einigungen aus den Fachgebieten bekannt. So wollen Union und SPD einen Anspruch aller Bürger auf schnelle Internet-Verbindungen ab 2025. Die Unterhändler wollen zudem die missbräuchliche Umgehung der Grunderwerbssteuer beim Verkauf von Immobilien unterbinden.
Ob der Finanzrahmen bis 2021 weiter bei 46 Milliarden Euro an zusätzlich verfügbaren Mitteln liegen wird, sei noch nicht entschieden, hiess es in Verhandlungskreisen. Es würden aber auf jeden Fall eine Reihe zusätzlicher Projekte identifiziert, die finanziert werden sollen, wenn die Steuereinnahmen noch höher liegen.
Gestrichen wurde nach Informationen aus Verhandlungskreisen wieder die von den Verkehrsexperten vorgeschlagene Abschaffung der Luftverkehrssteuer. Diese bringt dem Staat Einnahmen von jährlich rund einer Milliarde Euro.
Deutsche wollen Schulz nicht als Minister
Die Mehrheit der Deutschen lehnt nach einer Umfrage einen Einzug von SPD-Chef Schulz als Minister ins Kabinett der geplanten grossen Koalition ab. 54 Prozent seien gegen ein Ministeramt für Schulz, 36 Prozent würden es befürworten, wie das Forsa-Institut mitteilte.
Auch SPD-Anhänger seien der Umfrage für das RTL/n-tv-Trendbarometer zufolge mehrheitlich dagegen, dass Schulz in einer grossen Koalition ein Ministerium übernimmt, mit 47 gegen 44 Prozent. Innerhalb der SPD gilt Schulz aufgrund seines Schlingerkurses in Sachen grosser Koalition als schwer angeschlagen.
61 Prozent der Befragten befürworteten, dass Sigmar Gabriel Aussenminister bleibt. Dieser Auffassung seien auch 70 Prozent der Unions-Anhänger und 71 Prozent der SPD-Anhänger. Nur 10 Prozent wünschten, dass Schulz Chef des Auswärtigen Amtes wird. (SDA)