Die politische Karriere des österreichischen Senkrechtstarters Sebastian Kurz (35) ist nach zehn Jahren schon zu Ende. Er zieht sich sofort komplett aus der politischen Welt zurück. Seine Rolle als ÖVP-Chef dürfte Innenminister Karl Nehammer (49) übernehmen. Dieser gilt auch als Favorit auf das Kanzleramt, wie österreichische Medien berichten. Der bisherige Kanzler Alexander Schallenberg (52) dürfte demnach wieder Aussenminister werden.
Am Donnerstag Mittag informierte Kurz die Medien über seinen Rückzug. Er sagte, dass sein Sohn den Ausschlag dazu gegeben habe. Bei der Geburt seines Kindes sei ihm bewusst geworden, dass es auch ausserhalb der Politik viel Schönes gebe. Die Begeisterung für die Politik sei kleiner geworden. Auch die Entwicklungen der letzten Monate hätten dazu beigetragen. Es habe viele Unterstellungen gegeben.
«Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher», sagte Kurz. Er freue sich auf den Tag, an dem er vor Gericht die Vorwürfe als falsch belegen könne. Er empfinde über den Rückzug keinen Schwermut.
Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen ihn hatten erst im Oktober zu einem Wechsel im Kanzleramt geführt – Alexander Schallenberg (52) wurde eingesetzt, nachdem die anderen Fraktionen an einer Vier-Parteien-Regierung schmiedeten.
Job in der Schweiz?
Kurz sagte, er stehe sehr dankbar da. «Es ist unglaublich schön, sich für sein eigenes Land einsetzen zu dürfen.» Er dankte seinem Team, den Ministern, der Koalitionspartner, auch den Wählerinnen und Wählern, die ihn immer wieder unterstützt hätten. Nun habe er eine andere Seite des Lebens kennen gelernt. Kurz: «Das Wunder einer Geburt ist etwas Einzigartiges.»
Er werde am Freitag den Vorsitz der ÖVP übergeben.
Für ihn beginne nun ein neues Kapitel. Er freue sich auf die Zeit mit dem Kind und der Familie. Im neuen Jahr werde er sich neuen beruflichen Aufgaben widmen. Kurz: «Es war mir eine grosse Ehre, der Republik zehn Jahre dienen zu dürfen.»
Dann brach er die Konferenz ab, Fragen wurden keine beantwortet. Kurz: «Ich werde jetzt meine Freundin und meinen Sohn aus dem Spital abholen.»
Wird Sebastian Kurz in Zukunft für ein Schweizer Unternehmen arbeiten? Auf oe24.at sagte Politik-Chefredaktorin Isabelle Daniel: «Kurz wurde in Irland und in Zürich gesehen. Es gibt Spekulationen, dass er einen anderen Job sucht.» War Kurz in der Schweiz, um seine Zukunft nach seiner politischen Karriere zu planen? Um 11.30 Uhr will er über seinen Rückzug informieren.
Wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten
Kurz war im Oktober als Regierungschef zurückgetreten, nachdem Korruptionsermittler unter anderem das Kanzleramt und die ÖVP-Zentrale durchsucht hatten. Kurz und einige seiner engen politischen Mitstreiter werden von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, manipulierte Umfragen in Medien in Umlauf gebracht zu haben. Dafür sollen öffentliche Mittel abgezweigt worden sein. Unter anderem steht der Vorwurf der Untreue im Raum.
Kurz und seine Freundin Susanne Thier sind am 27. November Eltern geworden. Der Bub heisst Konstantin. Wie die «Krone» schreibt, soll Kurz einen Job in der Privatwirtschaft in Aussicht haben.
Der Senkrechtstarter
Kurz' Politikkarriere begann früh: Mit 16 Jahren stieg er bei der Jungen ÖVP ein, mit 23 wurde er deren Obmann, mit 24 Staatssekretär für Integration, mit 27 Aussenminister, mit 31 Bundeskanzler. Er ist das einzige Kind eines Ingenieurs und einer Lehrerin, hat kurze Zeit Jus studiert und wohnt heute mit seiner Partnerin aus Schulzeiten im Wiener Arbeiterbezirk Meidling, wo er auch aufgewachsen ist. Kurz' Regierung mit den Freiheitlichen implodierte im Mai 2019 wegen des Ibiza-Skandalvideos seines Vizekanzlers. Von Anfang 2020 regierte Kurz mit den Grünen, bis er wegen der Vorwürfe am 9. Oktober zurücktrat.
Am Freitag dürfte der neue Kanzler Karl Nehammer bestätigt werden. Die SPÖ fordert derweil Neuwahlen. (gf)
Sebastian Kurz tritt von allen Ämtern zurück