Unsere Empörung, so berechtigt sie ist, hilft uns nichts: Wir müssen grollend erkennen, dass es dem 33-jährigen Brutalo-Diktator Nordkoreas gelungen ist, die Welt in Geiselhaft zu nehmen. Niemand, das gilt auch für den irrlichternden Präsidenten der USA, will ja einen Krieg mit der Atommacht Nordkorea riskieren – nur fragen sich jetzt die Spitzenpolitiker weltweit: Was können wir denn noch tun, um Kim Jong Un in die Schranken zu weisen?
Sanktionen haben ebenso wenig bewirkt wie Uno-Resolutionen – Nordkoreas Herrscher schert das alles keinen Deut. Und warum? Weil er genau kalkuliert, wie sich die fremden Mächte gegenseitig ausmanövrieren. China will keinen Regimewechsel in Nordkorea, weil die Folgen unabsehbar sind – es hat weder Interesse an einer Flüchtlingswelle noch an einem möglichen Vordringen der USA bis zur chinesischen Grenze.
Südkorea fürchtet Attacken des nördlichen Nachbarn. Russland ängstigt sich vor Unruhen, die vom Fernen Osten auf das Kerngebiet übergreifen könnten – und möchte nicht auf den Profit aus dem Handel mit Pjöngjang verzichten. Japan ist besorgt um die wirtschaftliche Stabilität. Und die Japaner wissen, was ein Atomkrieg bedeuten kann – Hiroshima und Nagasaki, zwei Grossstädte, in denen 1945 Hunderttausende Menschen durch zwei amerikanische Atombomben starben.
Was will Donald Trump eigentlich?
Aber was wollen eigentlich die USA, was will Donald Trump? Offen wird das nicht bekannt, und dennoch ist es kein Geheimnis, dass Washington den Regimewechsel in Pjöngjang seit Jahrzehnten anstrebt. Die USA haben Ähnliches schon in anderen Regionen – mit zweifelhaftem Erfolg – praktiziert. Im Irak durch den Krieg von 2003, in Libyen 2011. In Afghanistan funktionierte die Strategie (noch) schlechter. Die USA investierten in 16 Jahren fast 800 Milliarden Dollar und mussten erkennen: Ein Wandel zugunsten von Demokratie und proamerikanischer Politik ist nicht möglich.
Nordkorea erwies sich schon immer als härtere Knacknuss. Die eiserne Diktatur baute schon vor 60 Jahren, gleich nach dem Koreakrieg (1950–1953), eine Mauer auf gegen ausländische Ideologien. In der Zeit Kim Jong Ils gab es Versuche der Annäherung. Vorübergehend trat Nordkorea sogar der Internationalen Atomenergiebehörde bei und leistete die Unterschrift zum Atomwaffensperrvertrag.
Seit 2013 testen sie wieder
Die USA versprachen Nordkorea technologische Hilfe für den Bau eines Leichtwasserreaktors, aus dem kein waffenfähiges Material abgezweigt werden kann, und zogen 1991 ihre Atomwaffen aus Südkorea ab. 1994 unterzeichneten die USA mit Nordkorea sogar ein Abkommen, das einen Schlussstrich unter den Nuklearstreit ziehen sollte. Doch wenige Jahre später bezichtigten sich die beiden Mächte, wichtige Teile der Vereinbarung verletzt zu haben.
Sechsergespräche zwischen den USA, Russland, China, Südkorea, Japan und Nordkorea brachten keinen Erfolg, und 2005 unternahm Nordkorea seinen ersten Atombombentest. Danach schaltete das Regime Nordkoreas nur noch auf die militärische Vorwärtsstrategie: Ein Satellit wurde in den Weltraum geschossen. Ein erster Raketentest 2013 führte zu Sanktionen von Seiten der Uno. Das Land nahm seinen Atomreaktor wieder in Betrieb. In immer kürzeren Zeitspannen begann Nordkorea, Raketen verschiedener Reichweite zu verschiessen – teils über Japan hinweg.
Jetzt befindet sich die Welt in der Sackgasse
Weshalb griffen die internationalen Sanktionen nicht? Im Wesentlichen, weil China und Russland gegenüber Nordkorea eine Doppelstrategie betreiben. Beide Regierungen sagen, generell Ja zu Uno-Sanktionen und verurteilen die Waffentests Nordkoreas. Aber beide unterlaufen gleichzeitig die wesentlichsten Teile der Sanktionen.
Das heisst: Nordkorea kann weiterhin Waren und auch Arbeiter nach China und Russland exportieren. Und sowohl China als auch Russland beliefern das Regime Nordkoreas mit lebenswichtigen Gütern. Weil beide Staaten den Zusammenbruch der Diktatur in Pjöngjang mehr fürchten als deren Überleben.
Und nun befindet sich die Welt also in der Sackgasse. Donald Trump droht den Nordkoreanern «Wut und Feuer» an, will aber einen Krieg vermeiden. Was bleibt als Alternative? Gespräche, Diplomatie, Verhandlungen, sagen die Politanalytiker. Und da haben sie zweifellos recht: Man muss, so unangenehm das ist, den Dialog mit dem Regime von Kim Jong Un suchen. Könnte ihm beispielsweise vorschlagen: Wir, die Amerikaner und Südkoreaner, setzen unsere traditionell halbjährlichen Manöver in der Nähe der Grenze versuchsweise aus. Was bietet ihr uns im Gegenzug an? Oder: Wir heben in der Uno einige Sanktionen auf, zum Beispiel die Kohleexporte nach China, und ihr verzichtet dafür für eine gewisse Zeit auf weitere Raketentests.
Man muss bei Details anfangen. Mit dem Ziel, dem Regime in Pjöngjang die Möglichkeit zu geben, das Gesicht zu wahren. Gleiches oder Ähnliches gilt natürlich auch für Donald Trump und sein Team in Washington. Da sind bestenfalls kleine Gesten verkraftbar, mehr nicht. Denn sonst verliert Trump sein Gesicht. Aber es lässt sich nicht wegzaubern: Trump muss vom hohen Ross heruntersteigen, nur so erlaubt er dem vermeintlich kleinen Kim etwas Ähnliches zu tun. Und der Welt die Atomkriegs-Apokalypse zu ersparen.
Verfolgen Sie die aktuellen Ereignisse in Nordkorea mit dem Newsticker.