So krass wie jetzt war der Krieg für Ivan (26) und seine Kameraden vom «2. Schützenbataillon der 67. Mechanisierten Brigade DUK» der ukrainischen Armee noch nie. Seit Tagen stürmen russische Truppen auf ihre Stellungen in den Wäldern von Kreminna zu. «Wir haben Hunderte getötet, und trotzdem kommen immer mehr», erzählt der Soldat.
Aber es sind nicht nur die Russen, die Kiews Kämpfern in den Gräben an der Donbass-Front das Leben zur Hölle machen. Da ist auch noch dieser andere fiese Feind.
Mäuse! Hunderte, Tausende. «Sie fluten unsere Gräben und Verstecke und zerstören alles, was ihnen vor die Schnauze kommt», klagt Ivan. Notrationen, Schuhe, Uniformen, Kabel und Schlafsäcke: Nichts sei sicher vor den knabbernden Viechern. Die kleinen Nager seien eine riesige zusätzliche Erschwernis im Kampf gegen die russischen Angreifer.
So retten die Katzen das Leben der Krieger
Zur Lösung der winterlichen Mäuseplage haben sich die Soldaten jetzt ein paar kuschlige Kriegskameraden in die Schützengräben geholt. Seit Kurzem stehen Xena und Signature im Dienst der 67. Brigade. «SSO’shnyks» nennen die Soldaten die beiden Katzen – in Anlehnung an die gleichnamigen Spezialeinheiten der ukrainischen Armee. Die Brigade hatte die Tiere in den Geisterdörfern entlang der Front gefunden, zurückgelassen von ihren geflohenen Besitzern.
Höchste Priorität im Dienstplan der tierischen Soldaten hat die Mäusejagd. Dutzende Eindringlinge würden sie täglich töten – genau wie ihre schwer bewaffneten neuen Herrchen. Doch das Mausen ist nur eine von mehreren Funktionen, die die Kuschel-Krieger täglich verrichten.
Die Katzen hätten eine Art integriertes Frühwarnsystem, erzählt Soldat Ivan. «Mir scheint es, als ob sie fühlen könnten, wenn ein Raketen- oder Bombenangriff unmittelbar bevorsteht.» Oft würden sich die Tiere wenige Sekunden vor der Explosion zuhinterst in den Gräben verkriechen. Für Ivan und seine Kameraden ein klares Warnzeichen: Achtung, da kommt was! «Unsere Katzen haben uns so schon mehrfach das Leben gerettet», erzählt der ukrainische Kämpfer.
Katzen kamen im Lauf der Geschichte immer wieder zum Einsatz in menschlichen Kriegen. Im Ersten Weltkrieg etwa schickte man sie vor, um zu testen, ob gefährliche Gase über den zurückeroberten Schlachtfeldern schwebten.
Die unglaubliche Geschichte von Unsinkable Sam
Zu Berühmtheit in militärhistorischen Kreisen brachte es eine Katze namens Unsinkable Sam. Das schwarz-weisse Tier reiste im Zweiten Weltkrieg ursprünglich als Maskottchen auf dem deutschen Kriegsschiff Bismarck mit. Das Schiff sank, die Katze wurde von der Besatzung des britischen Zerstörers Cossack gerettet und überlebte kurz darauf auch einen Angriff auf das britische Schiff. Seinen dritten Dienst tat Unsinkable Sam schliesslich auf dem Flugzeugträger Ark Royal, der kurz darauf ebenfalls sank. Sam überlebte und begab sich in Belfast in den nordirischen Ruhestand, wo er 1955 starb.
Das britische Königreich weiss um die Verdienste seiner felltragenden Krieger. Seit 1943 verteilen die Briten die extra für tierische Helden geschaffene «Dickin Medaille». «Auch wir dienen», steht auf der bronzenen Auszeichnung, die an Hunde, Pferde, Katzen und sogar Brieftauben verliehen wird.
Ehrenmedaillen und Kriegsverdienstkreuze für ihre Katzen kennt die ukrainische Armee noch nicht. Helden sind Xena, Signature und ihre vierpfotigen Kolleginnen für die Kämpfer trotzdem. «Wenn du sie nach einem heftigen Kampfeinsatz kraulen kannst, dann wirkt das wie ein Antidepressivum», erzählt Ivan. Die Katzen seien eine grosse Hilfe bei der Bewältigung des extremen Stresses, unter dem alle Frontkämpfer litten. «Ihr Schnurren erinnert uns an zu Hause, ihre Nähe heilt.»
Bislang sei zum Glück noch keinem der kuschligen Krieger etwas zugestossen, betont Ivan. Sie hätten ihre ersten Wochen im ukrainischen Winterkrieg unbeschadet überstanden. «Und wir werden alles daran setzen, dass sie bis zum Sieg überleben und mit uns feiern können.»