Keine freie Wahl
China plant Verbot von moralisch anstössiger Kleidung

Die Einschränkung von Meinungsäusserungen ist in China gang und gäbe. Nun plant die Staatsführung aber zusätzlich, das Tragen von Kleidung unter Strafe zu stellen, die die «Gefühle des Volkes» verletzen.
Publiziert: 22.09.2023 um 14:56 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2023 um 16:22 Uhr
China plant, das Tragen von Kleidung unter Strafe zu stellen, die die «Gefühle des Volkes» verletzt.
Foto: Schweiz Tourismus

Laut dem Gesetzesentwurf kann jemand mit einer Geldstrafe belegt werden oder sogar ins Gefängnis kommen, wenn er oder sie etwas am Leibe trägt, das «dem Geist des chinesischen Volkes schadet».

Nach einem allgemeinen Gesetz gegen Unruhestiftung kann in China schon heute jemand bestraft werden, der oder die Kleidung oder Banner mit kontroversen Botschaften trägt. Das neue Gesetz würde es den Behörden zusätzlich ermöglichen, mit Geld- oder sogar Haftstrafen gegen Menschen vorzugehen, deren Kleidung angeblich gegen die Moral verstösst.

Welche Kleidungsstücke gehören dazu?

Bei welchen Kleidungsstücken das der Fall ist, bleibt in dem Gesetzentwurf unklar. Die jeweilige Definition bliebe damit den Behörden überlassen. Mehrere Juristen des Landes haben sich bereits besorgt über den Gesetzentwurf geäussert.

Was als anstössig eingestuft werden könnte, zeigten Anfang des Monats in chinesischen Online-Netzwerken verbreitete Videos. Sie zeigten einen Mann, der in der Millionenmetropole Shenzhen von der Polizei befragt wurde, weil er sich gefilmt hatte, als er einen Rock trug. Einige Internet-Nutzer verteidigten die Polizeiaktion mit dem Argument, dass das Verhalten des Mannes andere peinlich berühre. Auf der chinesischen Plattform Weibo schrieb jemand: «Das ist verletzend für die gemeinsame Moral.»

«Zu vage Strafnorm» macht unsicher

Der Jurist Lao Dongyan von der Universität Tsinghua warnt, der Gesetzentwurf enthalte eine «zu vage Strafnorm, die der willkürlichen Ausweitung von Strafverfolgung Tor und Tür öffnet». Die meisten von AFP befragten Bürger in Peking äusserten sich zwar ähnlich, befanden aber auch, dass das Gesetz sich vor allem gegen das Tragen von japanischer Kleidung an historischen Daten oder Orten richte.

2021 hatte die staatstreue Boulevardzeitung «Global Times» über einen Zwischenfall berichtet, bei dem eine Frau am Gedenktag für die Opfer japanischer Kriegsverbrechen in der Öffentlichkeit einen Kimono getragen hatte. Vergangenes Jahr berichtete eine andere Frau, sie sei festgenommen worden, als sie in der Stadt Suzhou bei Fotoaufnahmen einen Kimono trug.

Die 23-jährige Pekingerin He spricht von «besonderen Umständen», die eine Einschränkung der freien Kleiderwahl rechtfertigten, etwa «beleidigendes» Verhalten vor bestimmten Monumenten oder an bestimmten Tagen, das «zu 100 Prozent absichtlich ist und bestraft werden muss». Allerdings ist aus Sicht der jungen Frau die Festlegung «reiflich durchdachter» Kriterien in dem Gesetz nötig. Und dafür könnte die bis zum 30. September angesetzte Beratungszeit nicht reichen.

Auch der 25-jährige Programmierer Yang Shuo sagt: «Wenn jemand am Denkmal des Massakers von Nanjing durch die japanischen Invasoren einen Kimono trägt, denke ich, dass das dem chinesischen Volk schweren psychologischen Schaden zufügt.» Solches Verhalten müsse bestraft werden.

«Es gibt historische Gründe und ich finde, dass die Gefühle der örtlichen Bevölkerung berücksichtigt werden müssen», sagte auch der 35-jährige Gu. Allerdings ist es aus seiner Sicht in den meisten Fällen nicht nötig, das Tragen von Kleidung zu ahnden, zum Beispiel «wenn jemand einen Kimono beim Einkaufen trägt».

Jeremy Daum vom Paul Tsai China Center an der Universität Yale geht davon aus, dass der Gesetzentwurf noch stärker auf Kleidung zugeschnitten wird, die beim nationalen Gedenken an historische Ereignisse als Irritation empfunden wird. «Es ist ziemlich klar, dass die Sprache noch stark verändert wird - nach den ganzen öffentlichen Kommentaren. Wahrscheinlich wird sie sich auf Helden, Märtyrer und Parteigeschichte konzentrieren.» (afp/kr/yb)

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