«Kein Tageslicht, keine frische Luft. Ausgerechnet in der wohlhabenden Schweiz werden Flüchtlinge jetzt in unterirdische Bunker einquartiert», steht unter dem Video, in dem «Die Welt» die vermeintlich unmenschliche Wohnsituation von rund 180 Flüchtlingen im Geschützten Spital Muri anprangert.
Unterlegt mit martialischer Musik schreitet die Journalistin Christiane Wittenbecher in dem knapp zwei Minuten langen Filmchen durch die Aargauer Unterkunft und zeichnet dabei ein ziemlich apokalyptisches Bild vom Alltag der Asylsuchenden.
Zwar sei der Bunker selbst «gut ausgestattet und sauber», es gebe eine «kleine Küche und sogar W-Lan». Trotzdem sei die unterirdische Unterbringung «eine extreme Belastung für die oft traumatisierten Flüchtlinge», so das lapidare und unbegründete Fazit von Wittenbecher.
Im dazugehörigen Text heisst es freilich: «Es ist eine eigenartige Mischung aus Autonomie und Kontrolle, mit der die Schweizer den Fremden begegnen. Einerseits sind die Küchenmesser im Bunker mit Nylondraht an der Arbeitsplatte befestigt. Sicher ist sicher. Andererseits sind die Menschen angehalten, ein eigenständiges Leben zu führen. Catering wie in deutschen Flüchtlingsunterkünften gibt es hier nicht.»
Kanton: «Bunker sind nur eine Notlösung»
Was die Textautoren, Christiane Wittenbecher und Philip Kuhn, mit ihrer Stimmungsmache gegen die improvisierten Asylunterkünfte im Kanton Aargau bezwecken, ist unklar. Dass Schweizer Soldaten in solchen Zivilschutzanlagen das ganze Jahr über Wiederholungskurse oder das Ende ihrer Rekrutenschule absolvieren, darüber schweigen sich die «Welt»-Journalisten jedenfalls aus.
Im Aargau ist man sich darüber hinaus sehr wohl bewusst, dass die unterirdischen Anlagen bei den Spitälern in Aarau, Baden, Laufenburg und Muri lediglich eine Notlösung darstellen. «Zurzeit ist es so, dass wir mit oberirdischen Unterbringungsmöglichkeiten alleine nicht mehr durchkommen», sagt Balz Bruder vom kantonalen Departement Gesundheit und Soziales (DGS) zu BLICK. «Wir werden die Bunker aber sofort wieder ausser Betrieb nehmen, sobald es oberirdisch wieder genug Platz hat.»
Die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli hat die Gemeinden deshalb anfangs Dezember in einem Schreiben aufgefordert, dem Kantonalen Sozialdienst Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen oder Plätze zu melden, die rasch in Betrieb genommen werden können.
Die Gemeinden sollen dem Kanton zudem Grundstücke und Immobilien melden, die für die Errichtung von temporären und mobilen Unterkünften geeignet sind. Der Kanton möchte beispielsweise erneut Armeezelte oder sogenannte «Shelters for Refugees» aufstellen (BLICK berichtete). Auf diese Weise sei es möglich, die Belastung für eine Gemeinde in Grenzen zu halten und einen gewissen regionalen Ausgleich zu schaffen.
«Für uns Soldaten sind die Bunker auch gut genug»
Im Netz hat der reisserische Videobeitrag des Hamburger Nachrichtenportals inzwischen heftige Diskussionen ausgelöst. Während die einen den Autoren beipflichten und einen Vergleich mit Deutschland oder Österreich ziehen, können andere die Aufregung offenbar nicht nachvollziehen und verteidigen die unterirdische Unterbringung der Flüchtlinge.
«Österreich übernimmt gemeinsam mit Deutschland und Schweden den Grossteil der Verantwortung und hat umgerechnet auf die Einwohnerzahl genau so viel Flüchtlinge aufgenommen wie Deutschland», schreibt etwa ein Leser in der Kommentarspalte des Artikels.
Ein weiterer sieht es ähnlich: «Flüchtlinge erhalten in der Schweiz 10 Franken pro Tag oder 300 Franken im Monat - und müssen davon selber ihr Essen einkaufen und aufräumen. In Deutschland erhalten Flüchtlinge 400 Euro pro Monat, plus kostenloses Catering und täglichen Putzservice. Da würde ich auch lieber nach Deutschland fliehen als in die Schweiz.»
Andere Kommentatoren wiedersprechen vehement: «Und wo ist jetzt das Problem? Besser als bei Minusgraden draussen im Zelt schlafen.» Oder: «Wie hätten es die Autoren denn gerne? 5 Sterne Hotel weil die Schweiz ja reich ist?»
Dritte bleiben in ihrer Kritik wiederum diplomatischer: «Für Menschen, die tatsächlich politisch verfolgt werden und in ihrem Heimatland mit dem Tode bedroht werden, ist jeder, absolut jeder Unterbringungsort, an dem sie nicht verfolgt werden, bestens geeignet und angemessen.»
Oder weisen den Vorwurf der mangelhaften Qualität der Zivilschutzanlagen in der Schweiz zurück: «Es ist Quatsch, dass dort die Luft fehlen könnte. Der Luftwechsel ist eine technische Grösse und Konstante. Richtig ist, dass es stinken könnte, weil mit den sanitären Einrichtungen geschlampt wird.» Und: «Tja, für uns Schweizer Soldaten sind diese Bunker auch gut genug.»