Wütende Libanesen sperrten aus Protest Strassen. «Niemand kann die Demütigung der Libanesen ertragen», klagte ein Demonstrant in der Hauptstadt Beirut. Die Armee kündigte an, Tankstellen zum Öffnen zu zwingen.
Schon in den vergangenen Tagen hatten Bäckereien schliessen müssen, weil ihnen Strom fehlt. Kliniken mussten Klimaanlagen abstellen. Seit Wochen müssen die Menschen im Land täglich über Stunden ohne Strom auskommen. In Apotheken fehlt es an lebenswichtigen Medikamenten.
Das Land am Mittelmeer leidet seit rund zwei Jahren unter der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Corona-Pandemie und die Explosionskatastrophe im Hafen Beiruts vor mehr als einem Jahr haben die Lage verschärft. Die Regierung kann Kredite nicht mehr bedienen, grosse Teile der Bevölkerung sind in Armut abgerutscht. Die Inflationsrate liegt bei 120 Prozent, für Lebensmittel noch höher.
Zugleich ist der Libanon politisch gelähmt. Die Regierung war kurz nach der Explosion im Beiruter Hafen zurückgetreten und ist nur noch geschäftsführend im Amt. Wegen eines monatelangen Machtkampfs konnte noch immer kein neues Kabinett gebildet werden. Libanons politische Elite sieht sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt.
Zentralbankchef Riad Salamah hatte in dieser Woche angekündigt, Importe von Kraftstoff nicht mehr mit einem festgelegten Dollarkurs subventionieren zu können, weil dann die gesetzlich festgeschriebenen Devisenvorräte angetastet werden müssten. Sollte die Entscheidung umgesetzt werden, müsste Kraftstoff zu einem mehr als fünf Mal so hohen Dollar-Schwarzmarktkurs eingeführt werden - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen.
Libanons Präsident Michel Aoun und seine Verbündeten übten nach Salamahs Ankündigung Druck auf den Zentralbankchef aus, seine Entscheidung zurückzunehmen. Dieser wies am Samstag in einem Radiointerview jede Verantwortung von sich. Die Zentralbank könne die Pflichtreserven nur dann für Importe verwenden, wenn es eine Gesetzesänderung gebe. Er selbst werde nun zum «Sündenbock» gemacht.
(SDA)