Kaum Corona-Massnahmen
Hat das brasilianische Manaus Herdenimmunität erreicht?

Ab März stieg die Zahl der Corona-Todesfälle in der brasilianischen Stadt Manaus stark an. Dann plötzlich stagnierten die Infektionszahlen – obwohl wenig Anstrengungen unternommen wurden, das Virus zurückzudrängen.
Publiziert: 29.09.2020 um 15:55 Uhr
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Die Mitarbeiter des Friedhofs Nossa Senhora Aparecida in der brasilianischen Stadt Manaus hatten während des Höhepunkts der Corona-Krise alle Hände voll zu tun.
Foto: AFP

Die Amazonas-Metropole Manaus hat die Corona-Krise womöglich überstanden. Ein Team von Wissenschaftlern des Instituts für Tropenmedizin der Universität von São Paulo hat mehr als tausend Proben von Blutspendern untersucht und bei 44 Prozent Antikörper gegen das Coronavirus gefunden.

Die Wissenschaftler untersuchten Blutproben von Menschen aus Manaus, die seit Februar 2020 abgegeben wurden. Weil die Zahl der Antikörper im Blut mit der Zeit abnimmt, gehen die Forscher davon aus, dass sogar 66 Prozent der Spender bereits infiziert waren.

Rasend schnelle Ausbreitung am Anfang

Experten gehen davon aus, dass eine Bevölkerung bei einem Infektionsgrad von 66 Prozent Herdenimmunität erreicht hat. In diesem Moment können sich manche Viren nicht mehr weiter ausbreiten, weil sie nicht mehr genügend Träger für eine Übertragungskette finden können.

Tatsächlich breitete sich das Coronavirus in der brasilianischen 1,8-Millionen-Stadt ab März rasend schnell aus. Die Bestatter sollen Berichten zufolge nicht mehr mit dem Ausheben der Gräber nachgekommen sein, Tote seien teils in Kühlcontainern gelagert worden. Luftaufnahmen aus Manaus zeigen einen Friedhof, auf dem sich ein frisches Grab ans Nächste reiht.

Wende wie durch ein Wunder

Während des Höhepunkts der Krise Mai starben in Manaus täglich bis zu 80 Menschen an der vom Coronavirus verursachten Krankheit Covid-19. Doch einschneidende Massnahmen gegen die Ausbreitung wurden nicht ergriffen. Trotzdem kam im Mai die Wende: Die Infektionszahlen sanken wie durch ein Wunder deutlich.

Das Team um Ester Sabino von der Universität von São Paulo vermutet laut ihrer vorläufigen, noch nicht von unbeteiligten Fachkollegen begutachteten Studie, dass der Grund für die sinkenden Infektionszahlen die gestiegene Anzahl von immunen Personen ist. Die Studie hat allerdings Schwachpunkte. So sind die untersuchten Proben von Blutspendern beispielsweise nicht repräsentativ für die ganze Bevölkerung.

Die Autoren der Studie gehen aufgrund von Hochrechnungen davon aus, dass von allen tatsächlich Infizierten in der Stadt 0,28 Prozent gestorben sind. In absoluten Zahlen rechnen die Forscher mit 4200 Corona-Toten. Dabei ist zu bedenken, dass Manaus eine ausserordentlich junge Altersstruktur hat – die Mehrheit der Einwohner ist 30 Jahre alt oder jünger. (noo)

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