Erneut trifft es Süddeutschland: Nach den schweren Unwettern in Baden-Württemberg Anfang Woche wurde gestern in Niederbayern Katastrophenalarm ausgerufen. Heftiger Regen führte in einigen Gemeinden des Landkreises Rottal-Inn zu schweren Überschwemmungen.
Etwa 250 Kinder mussten stundenlang in ihrer Schule in Triftern wegen den Wassermassen ausharren. Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks waren die Nacht hindurch mit der Rettung der Personen beschäftigt. 16 Kinder mit zwei Betreuern waren bis zum Morgen eingeschlossen.
Drei Leichen sind gestern Abend von Tauchern in einem überschwemmten Haus in Simbach am Inn entdeckt worden, teilte die Polizei mit. Nach Angaben des Polizeisprechers handelte es sich um drei Mitglieder einer Familie - eine 56-jährige Frau und deren 28-jährige Tochter sowie die 78-jährige Grossmutter.
Eine weitere Frau (80) wurde in Julbach, das ebenfalls im Landkreis Rottal-Inn liegt, tot aus einem Bach geborgen. Sie sei offenbar weggeschwemmt worden, als ihr Haus einstürzte.
Ob es weitere Opfer geben könnte, war zunächst unklar. Heute wurde nach Polizeiangaben das fünfte Opfer, ein Mann (†75), geborgen.
«Wassermassen kamen sehr schnell»
32 Liter Regen pro Quadratmeter fielen binnen sechs Stunden allein in Pfarrkirchen bei Triftern. «Das ist schon ein kräftiger Dauerregen», sagte der Meteorologe Volker Wünsche vom Deutschen Wetterdienst (DWD). In mehreren Haushalten des 5000-Einwohner-Dorfes fiel der Strom aus.
«Die Wassermassen kamen sehr schnell», hiess es von der Polizei. «Die Situation hat sich in den letzten Stunden dramatisch zugespitzt», sagte der Bürgermeister von Triftern, Walter Czech. Verletzte habe es bislang aber nicht gegeben.
Die Aussichten für die kommenden Tage bleiben trüb: Mindestens bis Sonntag werde sich die Gewitterluft in Deutschland halten, sagte der DWD-Meteorologe Simon Trippler. Unwetter könnte es in der Mitte, im Osten und im Norden geben. Aus Polen zog Tief «Friederike» herüber.
«Alles, was wir verfügbar haben, ist im Einsatz», teilte das Polizeipräsidium Niederbayern mit. Polizisten seien auch von Grenzübergängen nach Österreich abgezogen worden. Eine Brücke am Übergang zum österreichischen Braunau war komplett überspült.
Zwei Mädchen unter Schock
Eine Schulklasse aus Augsburg wurde bei einem Bootsausflug auf dem Schwarzen Regen vom Unwetter überrascht. 20 Kinder strandeten auf einer Insel und mussten gerettet werden. Zwei Mädchen erlitten einen Schock und eine Unterkühlung.
Eine Asylbewerberunterkunft in einer ehemaligen Turnhalle in Simbach musste geräumt werden. Lastwagenfahrer kletterten auf der Bundesstrasse 12 auf die Dächer ihrer Fahrzeuge, weil sie Angst hatten, von den Fluten davongeschwemmt zu werden, wie Rettungskräfte berichteten.
Starkregen machte den Menschen auch in Hannover zu schaffen. In Leipzig standen zeitweise einige Strassen unter Wasser. «Die Kanalisation konnte die Wassermassen nicht schnell genug aufnehmen», sagte ein Feuerwehrsprecher.
Trübe Aussichten
In einem Leipziger Spital musste die Feuerwehr Wasser aus der Notaufnahme abpumpen. Die Bahnstrecke zwischen Dresden und Prag, die am Dienstag überspült worden war, wurde hingegen wieder für den Verkehr freigegeben. Der DWD warnte aber vor neuen Gewittern, Starkregen und Hagel im Osten.
Die Pegelstände an Rhein, Nahe und Mosel fielen nach einem sprunghaften Anstieg zu Wochenbeginn zunächst wieder. Das Hochwassermeldezentrum in Rheinland-Pfalz teilte am Mittwoch mit, dass an zahlreichen Messpunkten sinkende Pegel gemeldet worden seien.
Allerdings ist auch dort in den kommenden Tagen mit weiterem Regen zu rechnen. Die Wetterlage war zu labil, um vorherzusagen, wo und in welchem Ausmass der Wasserstand erneut klettern könnte.
Todesopfer auch in Frankreich
Auch in Frankreich kam es zu schweren Hochwassern: Eine 86-Jährige wurde nach heftigen Regenfällen tot in ihrem überschwemmten Haus in Frankreich gefunden worden. Die Feuerwehr habe ihre Leiche im Wasser treibend in dem Gebäude im Ort Souppes-sur-Loing gefunden, etwa 80 Kilometer südöstlich von Paris, wie die Zeitung «Le Parisien» am Mittwoch berichtete.
Die Präfektur sprach demnach in einer Mitteilung von einer Ertrunkenen. Aus Ermittlerkreisen hiess es jedoch, die Todesursache sei noch unklar. Eine Autopsie müsse klären, ob sie tatsächlich ertrunken oder möglicherweise schon vor dem Anstieg des Wassers gestorben sei.
Zuletzt hatte die Seine in Paris 2001 eine vergleichbare Höhe erreicht, nämlich 5,21 Meter. Kein Vergleich ist das aber zur Jahrhundertflut des Jahres 1910: Damals stieg der Pegel auf 8,62 Meter. (SDA/gr/sas/stj)