Knappe Mehrheit für Separatisten in Katalonien
«Mit unserer Stimme zahlen wir es Madrid heim»

Nach der Abstimmung zur Unabhängigkeit und der Absetzung ihrer Regierung wählten die Katalanen ein neues Parlament.
Publiziert: 21.12.2017 um 23:44 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:45 Uhr
Niederlage für die spanische Regierung
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Katalanische Separatisten gewinnen Regionalwahl:Niederlage für die spanische Regierung
Cyrill Pinto

Trotz Arbeitstag und Weihnachtsstress: Für die Wahl ihres neuen Parlaments nahmen sich die Katalanen gestern Zeit – die Wahlbeteiligung erreichte Höchstwerte. Zur Wahl ging auch Patricia Juarez (37) aus Barcelonas Viertel Poblenou. «Ich bin extra früher aus der Arbeit, um wählen zu gehen.» So wie Juarez waren gestern 5,5 Millionen Katalanen wahlberechtigt. Eigentlich wäre die nächste Wahl erst 2019 angestanden. Doch die Neuwahl wurde fällig, als die Zentralregierung in Madrid die aufmüpfige Regierung in Barcelona absetzte – als Reaktion auf das in den Augen Madrids illegale Referendum über die Unabhängigkeit.

Ich bin immer noch da: In Brüssel freute sich Carles Puigdemont (54), dass Nationalisten in der Mehrheit bleiben.
Foto: AFP PHOTO / JOHN THYS

Knappe Mehrheit für Separatisten

Im neuen Parlament haben sich die Gewichte leicht verschoben. Die separatistische Liste JuntsxCat (Gemeinsam für Katalonien) des im Oktober abgesetzten Regionalpräsidenten Carles Puigdemont übertrifft zwar die Prognosen und bleibt mit 34 Sitzen tonangebend im Lager der Seperatisten. Grosse Siegerin der Wahl ist jedoch die liberale Bürgerpartei, die sich für einen Verbleib Kataloniens in Spanien ausspricht. Sie überflügelte Puigdemonts Separatisten und ergatterte satte 37 Sitze. Insgesamt können die Spanien-kritischen Bewegungen jedoch eine knappe Mehrheit im 135 Sitze umfassenden Parlament halten.

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Die Partei «Gemeinsam für Katalonien» konnte die Prognosen an der Urne übertreffen.
Foto: AP Photo / Santi Palacios

Bereits am Vormittag hatte in Barcelona gespannte Ruhe geherrscht. Schulen waren umfunktioniert zu Wahllokalen. Polizisten sicherten die Eingänge. Schon am Morgen gab es Warteschlangen. Auch in der Schule Ramon Llull in Eixample, nur zwei Querstrassen von der berühmten Kathedrale La Sagrada Família entfernt. Von hier kamen die Bilder von Polizisten, die am 1. Oktober bei der Unabhängigkeits-Abstimmung Grossmütter blutig prügelten. 

Es gibt auch Stimmen, die für den Dialog sind

Noch heute sind die Katalanen über das damalige Vorgehen der Zentralregierung des rechten Partido Popular (PP) empört: «Mit meiner Stimme, zahle ich es dem PP heim», sagt Jose Maria (50). Er versuchte damals die Polizei vor dem Abtransport der Wahlurnen abzuhalten. Gestern ging er wieder wählen. «Meine Stimme ging an den Präsidenten.» Das ist für ihn immer noch Puigdemont, der nach Brüssel floh, von wo er sich aber regelmässig per Liveschaltung in den Wahlkampf einmischte.

Inés Arimadas (35) stellt mit ihrer Ciudadamos voraussichtlich die grösste Fraktion und will die Union mit Spanien bewahren.
Foto: Guo Qiuda

Es gibt sie aber auch immer noch die Stimmen, die für einen Dialog mit Madrid eintreten, auch hier in der Schule Ramon Llull. Sie wählen die prospanischen Sozialisten oder die liberal-bürgerlichen Ciudadanos. Doch auch Katalanen, die keinen abrupten Bruch mit Madrid wollen, wählten Parteien der Independistas. Zum Beispiel Victoria Carceller (51): «Um Madrid zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, brauchen die Separatisten möglichst viele Stimmen – nur so ist Madrid zu Gesprächen bereit.»

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