Katalanen sagen Ja zur Unabhängigkeit
Was droht den Prügel-Polizisten?

Trotz Widerstand aus Madrid stimmten gestern in Katalonien 90 Prozent für eine Abspaltung von Spanien. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Publiziert: 02.10.2017 um 13:58 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 20:26 Uhr
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Vor dem Parlamentsgebäude versammelten sich im Verlauf des Tages immer mehr Demonstranten und neugierige Bürger.
Foto: Michael Sahli

Wie geht es nun weiter?

Kataloniens Ministerpräsident Carles Puigdemont (55) feiert das Unabhängigkeits-Votum als grossen Triumph. «Wir haben uns das Recht verdient, einen unabhängigen Staat zu haben», sagte er in einer TV-Ansprache am Sonntagabend. 

Das katalanische Parlament hatte bereits vorher festgelegt, dass bei einem Ja innerhalb von 48 Stunden die Unabhängigkeit ausgerufen würde. Puigdemont hat nach dem Sieg erneut bekräftigt, dass er das in den nächsten Tagen tun will.

Wie reagiert Madrid?

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy (62) akzeptiert das Ergebnis nicht: «Es war kein Referendum, es war eine Inszenierung.» Er droht damit, Puigdemont und seine Separatisten-Regierung abzusetzen und die Region unter Zwangsverwaltung zu stellen. Eine Abspaltung widerspräche der spanischen Verfassung und wäre somit illegal. Rajoy lässt keine Gelegenheit aus, dies zu betonen.

Die Zentralregierung ging bereits mit aller Härte gegen die Abstimmung vor. Eine Unabhängigkeits-Erklärung würde definitiv als Vertrauensbruch gewertet.

Angesichts des bisherigen Verlaufs der Geschehnisse würde es nicht überraschen, wenn Regierungschef Rajoy den Regionalpräsidenten Puigdemont verhaften liesse.

Ist das klare Ja ein Glanzresultat?

Der Schein trügt. Zwar spricht die katalanische Regierung von 90 Prozent Ja-Stimmen. Doch von den 5,3 Millionen Wahlberechtigten sind deutlich weniger als die Hälfte zur Urne gegangen. Das Ergebnis ist auch deshalb besonders einseitig, weil die meisten Abspaltungs-Gegner die Abstimmung boykottiert haben.

Wie reagieren die Katalanen auf die Polizeigewalt?

Die Polizei ging teilweise hart gegen Menschen vor, die abstimmen wollten. Bei Zusammenstössen wurden gestern mehr als 800 Personen verletzt. 

Aus Protest haben nun Dutzende Gewerkschaften und andere Organisationen für Dienstag zu einem Generalstreik aufgerufen. Wegen der «schweren Verletzung von Rechten und Freiheiten» der Katalanen während des Volksentscheids soll die ganze Region an diesem Tag die Arbeit ruhen lassen.

Sollten viele Unternehmen dem Aufruf folgen, dürften die Folgen deutlich zu spüren sein: Katalonien stemmt ein Fünftel des spanischen Bruttoinlandsprodukts und ist somit der Wirtschaftsmotor Spaniens.

Was droht den Prügel-Polizisten?

Das Referendum wird auch für die spanischen Sicherheitskräfte zur Zerreissprobe. Die katalanische Feuerwehr stellte sich klar auf die Seite der Katalanen. Auf einem Video ist zu sehen, wie sich Beamte schützend vor eine Menschenmenge stellen. Ihnen gegenüber standen Polizisten der staatlichen Guarda Civil und Policía Nacional.

10'000 Beamte hatte die Madrider Zentralregierung nach Katalonien geschickt – wohl auch, weil sie der Lokalpolizei «Mossos d'Esquadra» nicht ganz traut. Denn auch diese hatte aus Madrid den Auftrag, die Abstimmung zu verhindern. Doch die Mossos («Jungs») widersetzten sich dem Befehl vielerorts. Sie fanden sich zwar bei Abstimmungslokalen ein, blieben aber untätig.

Die brutalen Staats-Polizisten kommen ziemlich sicher straffrei davon. Sie hätten nur «ihre Pflicht» getan, sagte Ministerpräsident Rajoy. Doch die Mossos müssen mit Konsequenzen rechnen – für ihre Untätigkeit. Wie «RTVE» berichtet, untersuchen sieben katalanische Gerichte, weshalb Lokalpolizisten die Abstimmung nicht aktiv verhindert haben. Die Verfahren sind in einigen Fällen von Amtes wegen eröffnet worden, in anderen aufgrund von Beschwerden von Einzelpersonen.

Was tut die EU?

Es werden Rufe laut, dass die Europäische Union im Konflikt vermitteln soll. Der deutsche Spitzenpolitiker Axel Schäfer (SPD) fordert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dazu auf, sich einzuschalten. «Herr Juncker muss nach Barcelona und Madrid fliegen, um die Leute an einen Tisch zu bringen», sagte Schäfer der Deutschen Presse-Agentur.

Vor wenigen Tagen hatte Juncker angekündigt, man werde das Ergebnis des Referendums akzeptieren, wenn die Abspaltung juristisch korrekt ablaufe. Allerdings bleibe Katalonien nicht automatisch in der EU, sondern müsse das reguläre Beitrittsverfahren durchlaufen. (rey)

Die aktuellen Ereignisse in Spanien verfolgen Sie im Newsticker zum Referendum.

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