Sobald es brenzlig wurde, machte er sich aus dem Staub: Der entmachtete Katalanen-Präsident Carles Puigdemont (54) setzte sich am Wochenende nach Belgien ab. Er soll mit dem Auto nach Marseille gefahren und von dort nach Brüssel geflogen sein, berichten spanische Medien.
Mit dabei sind weitere Mitglieder seiner Regierung. Gegen sie und Puigdemont hat die spanische Justiz am Montag Anklage eingereicht. Unter anderem wegen «Rebellion, Aufruhr, Unterschlagung und Amtsmissbrauch» drohen ihnen bis zu 30 Jahre Haft.
An einer Medienkonferenz erklärte Puigdemont am Dienstagmittag, er habe nicht vor, politisches Asyl zu beantragen. Er sei hier, weil in Spanien seine Sicherheit nicht gewährleistet sei. «Ich brauche gewisse Garantien, bevor ich zurückkehre», so Puigdemont. Auf die Frage, wie lange er in Brüssel bleiben werde, weicht er aus. «Wir werden es sehen. Jeder Tag bringt neue Entwicklungen mit sich.»
In Brüssel hat sich Puigdemont bereits einen Anwalt genommen: Paul Bekaert, der auf Menschenrechte und Auslieferungsfragen spezialisiert ist. Bekaert hat schon mutmassliche Mitglieder der baskischen Separatisten-Organisation ETA vertreten. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass er sich einen Asyl-Antrag als letzte Option offenhält, bevor er Belgien verlassen muss.
Alle EU-Staaten gelten als sichere Herkunftsländer
Damit könnte er Zeit schinden. Die Chancen auf einen positiven Bescheid sind jedoch gering, sagt der auf Internationales Recht spezialisierte Anwalt Marcel Bosonnet zu BLICK. «EU-Staaten betrachten sich gegenseitig als sichere Herkunftsländer», so der Experte. «Es wird automatisch davon ausgegangen, dass ein Angeklagter im EU-Bereich keine politische Verfolgung oder Folter befürchten muss.»
Wahrscheinlich wird Spanien einen Auslieferungsantrag stellen. Dann gibt es einen sogenannten Europäischen Haftbefehl, ein erleichtertes Auslieferungsverfahren.
Einen Stolperstein könnte es aber geben: «Das internationale Auslieferungsrecht sieht vor, dass ein Vergehen in beiden Ländern strafbar sein muss», sagt Bosonnet. Es stellt sich also die Frage, ob Belgien die Vorwürfe der spanischen Justiz an Puigdemont als strafbar anerkennt. Falls dem nicht so ist, müsste der Auslieferungsantrag Spaniens abgelehnt werden.
Diplomatischer Zündstoff
Trotz der geringen Chancen sieht Bosonnet Gründe für politisches Asyl gegeben: «Dass man Puigdemont der Rebellion anklagt, deutet auf eine politische Verfolgung hin. Aussagen von Vertretern der spanischen Zentralregierung lassen zudem darauf schliessen, dass er in Spanien keinen fairen Prozess erhalten würde.»
Die Schweiz als Plan B kommt für den Katalanen-Führer wohl kaum in Frage. «Wenn Carles Puigdemont in Belgien tatsächlich ein Asylgesuch stellt, verliert er gemäss dem Dublin-Abkommen das Recht, nachträglich auch in der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen», sagt Bosonnet.
Der Fall bietet reichlich diplomatischen Zündstoff: Sollte Belgien sich nicht kooperativ verhalten, dürfte dies die spanische Regierung erzürnen. Doch auch innerhalb des Landes flammt ein alter Konflikt auf: Die Möglichkeit auf Asyl hat der belgische Staatssekretär für Asyl und Migration, Theo Francken, ins Spiel gebracht – er ist Mitglied der nationalistisch-flämischen Partei N-VA.
Daraufhin hat ihn der belgische Ministerpräsident Charles Michel harsch zurückgepfiffen: «Ich bitte Theo Francken, kein Öl ins Feuer zu giessen.»
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