Dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda sagte er am Dienstag bei einem Besuch in Vilnius eine Kampfbrigade unter deutscher Führung zu, die zur Hälfte in Deutschland und in Litauen stationiert sein soll. «Wir werden jeden Zentimeter des Nato-Territoriums gemeinsam mit unseren Verbündeten verteidigen, wenn sie angegriffen werden», betonte der Kanzler.
Seit 2017 ist in Litauen ein Bataillon mit derzeit 1600 Soldaten stationiert, davon gehören mehr als 1000 der Bundeswehr an. Es wurde im Zuge der Ukraine-Krise bereits einmal von 1200 Soldaten aufgestockt.
Die Nato-Truppe soll nun zu einer Kampfbrigade mit schwerem militärischen Gerät ausgebaut werden. Ihr sollen nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen künftig insgesamt 3000 deutsche Soldaten angehören. Davon sollen etwa 1500 in Litauen stationiert werden, auch das Kommando der Brigade. Die anderen 1500 werden ihren Standort in Deutschland haben, aber fest für die Verstärkung der Ostflanke vorgesehen sein.
Die direkte Verknüpfung der beiden Standorte «erhöht die Einsatzfähigkeit enorm», sagte Scholz. Gegebenenfalls soll sich auch noch andere Nationen an der Brigade beteiligen. Derzeit wird die Nato-Truppe in Litauen neben Deutschland von sieben weiteren europäischen Ländern gestellt. Sein Angebot stimmte Scholz am Dienstag mit Nauseda ab, Ende des Monats wird die Nato auf ihrem Gipfel in Madrid abschliessend über die Aufstockung ihrer Truppen im gesamten Baltikum befinden.
Kanzler lässt sich Panzerhaubitze 2000 erklären
Scholz besuchte einen Teil der in Litauen stationierten deutschen Soldaten am Dienstag auf dem grössten Truppenübungsplatz des Landes bei Parabade. Dort sah er sich die Waffensysteme an, die den Soldaten dort zu Verfügung stehen. Dazu zählt die Panzerhaubitze 2000, das schwerste und modernste Artilleriegeschütz der Bundeswehr, das die Bundeswehr demnächst auch in die Ukraine für den Kampf gegen die russischen Angreifer abgeben will. Ausserdem sind Marder- und Leopard-2-Panzer sowie Aufklärungsdrohnen vom Typ Luna in Litauen stationiert.
Scholz versprach, dass auch die Aufrüstung der Nato-Truppe verbessert wird. «Wir haben entschieden, dass wir das, was hier zu diesem Einsatz gehört, ausweiten.» Für die Bereitstellung der von den baltischen Staaten geforderten Luftabwehrsysteme zeigte Scholz sich offen. Die Nato müsse insgesamt ihre Fähigkeit zur Luftabwehr verbessern, sagte er. Der Kanzler verwies darauf, dass der Bundestag gerade das 100-Milliarden-Programm für die Sanierung der Bundeswehr beschlossen hat. Damit könne die Sicherheit Deutschlands besser gewährleistet werden, «aber auch, was das Territorium der verbündeten betrifft».
Litauens Präsident nennt Russland «terroristischen Staat»
Litauens Präsident Nauseda wies darauf hin, dass die baltischen Staaten «an der Frontlinie der Nato» liegen. «Maximale Abwehrbereitschaft und verstärkte Einsatzkräfte in unserer Region sind der Schlüssel zur Sicherheit des gesamten Bündnisses.» Mit Russland dürfe es «keinen Dialog oder keine Zusammenarbeit geben, keine Beschwichtigung oder Nachgeben gegenüber diesem terroristischen Staat».
Mit Litauen besuchte Scholz erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs ein Nato-Land, das an Russland grenzt und sich durch die Atommacht besonders stark bedroht fühlt. In der Hauptstadt traf er neben Nauseda die Regierungschefs aller drei baltischen Staaten - neben Litauen und Lettland gehört noch Estland dazu. Die drei baltischen Staaten zählen neben Polen und Norwegen zu den fünf Nato-Staaten, die eine Landgrenze mit Russland haben. Mit Finnland könnte bald ein sechster hinzukommen. Die litauische Hauptstadt Vilnius ist etwa 200 Kilometer Luftlinie von der russischen Exklave Kaliningrad entfernt, dem nördlichen Teil des früheren Ostpreussens. Dort sind Raketen stationiert, die das gesamte Baltikum, ganz Polen und sogar Berlin erreichen können.
Balten fordern EU-Kandidatenstatus für Ukraine
Der Schutz vor der russischen Bedrohung war aber nicht das einzige Thema des Scholz-Besuchs. Es ging auch um die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russischen Angreifer und die europäische Perspektive des Landes. Während die baltischen Staaten dafür sind, die Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten zu machen, hat sich die Bundesregierung noch nicht entschieden.
«Es ist an der Zeit klarzustellen, dass die Ukraine in die Europäische Union gehört», sagte Nauseda. «Wir haben kein moralisches Recht, diesen Augenblick zu verpassen. Die Ukraine verteidigt dieses Recht mit ihrem Blut».
Auch die Regierungschefs von Lettland und Estland, Krisjanis Karins und Kaja Kallas, forderten nach dem Treffen mit Scholz und Nauseda eine klare europäische Perspektive für die Ukraine. «Wir, die baltischen Länder, vor allem Lettland, wissen immer noch sehr gut, wie ein positives Signal aus der EU an uns gesendet wurde», betonte Karins.
Estland, Lettland und Litauen gehören seit 2004 der EU und Nato an. Die drei an Russland und teils an dessen Verbündeten Belarus grenzenden Länder gehören international zu den grössten Fürsprechern der Ukraine. (SDA)