Julian Assanges Vater über den Prozess gegen seinen Sohn
«Sie wollen ihn vernichten»

In London kämpft Julian Assange vor ­Gericht gegen ­seine Auslieferung in die USA. Sein Vater setzt grosse Hoffnungen in die Schweiz, wie er im Interview sagt.
Publiziert: 29.08.2020 um 19:04 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2020 um 11:08 Uhr
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Der Australier John Shipton ist selber engagierter Antikriegsaktivist.
Foto: DUKAS
Interview: Reza Rafi

Kaum ein Häftling steht mehr im Fokus der Weltöffent­lichkeit: Wikileaks-Gründer Julian Assange (49) sitzt im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Die USA verlangen seine Auslieferung – sie werfen ihm ­einen Verstoss gegen den umstrittenen «Espionage Act» vor. In Amerika droht ihm die Todesstrafe.

Assanges Plattform hatte ab den Nullerjahren geheime Dokumente veröffentlicht und unter anderem Kriegsverbrechen der US Army im Irak-Krieg publik gemacht.

Am 7. September gehen die ­Anhörungen im Auslieferungs­prozess weiter. Zuvor legte das ­Gericht coronabedingt eine ­Pause ein. Assange weiss viele prominente Unterstützer hinter sich. Sehr ­engagiert ist auch sein Vater, der australische Antikriegsaktivist John Shipton (75). Diese Woche war er einmal mehr in Genf, wo er um Support für seinen Sohn warb. SonntagsBlick hat mit ihm gesprochen.

Wann haben Sie Julian letztmals gesehen?
John Shipton: Das war vor fast sechs Monaten. Wegen Corona wurde ein Besuch im Gefängnis für mich unmöglich. Er darf pro Monat 45 Minuten Besuch von seiner Familie bekommen. Seine Partnerin und seine beiden Kinder haben ihn am Dienstag besucht.

Wie muss man sich diese Treffen vorstellen?
Julians Kindern ist es wie allen ­Besuchern nicht erlaubt, sich ­ihrem Vater auf mehr als anderthalb Meter zu nähern. Aber natürlich tun sie, was viele Kinder tun, wenn sie ihren Vater sehen: Sie rennen auf ihn zu und wollen ihn umarmen. Würde Julian das zulassen, würde er dafür mit zwei Wochen Isolationshaft bestraft.

Viele machen sich Sorgen um Julian Assange. Wie geht es ihm?
Nun, er lebt seit elf Jahren kein freies Leben mehr. Er befindet sich seit elf Jahren unter verschiedenen Formen von Zwang und Ver­folgung – Hausarrest, Haft, Isola­tionshaft. Als Krimineller verfolgt von Schweden, Grossbritannien und den USA. So sind die Umstände.

Sie waren am Dienstag eben wieder in Genf. Wozu?
Ich hatte mich in Genf mit Ver­tretern diverser Organisationen getroffen, die uns unterstützen. Die Weltorganisation gegen Folter zum Beispiel ist sehr aktiv. Wir wurden vom UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte empfangen. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats unterstützt uns ebenfalls.

Erzielen Sie Fortschritte im Kampf für Ihren Sohn?
Ich glaube es. Ich glaube, dass die Vereinten Nationen ihr Mögliches machen, um zu verhindern, dass Julian ausgeliefert wird ...

Seine Auslieferung in die USA ist Ihre grösste Angst?
Ja. Das wäre der Worst Case, schlicht eine Katastrophe. Die Amerikaner sind entschlossen, Julian und Wikileaks zu vernichten. Es geht da nicht mehr um Argumente. Umso dank­barer sind wir für den Support ge­rade aus Europa und auch aus der Schweiz. Eine Auslieferung wäre beschämend für Europa und die ­europäischen Institutionen.

Ihr Sohn muss sich in London vor Gericht verantworten, nächste Woche beginnen die Anhörungen wieder. Nun ist Grossbritannien immer noch ein demokratischer Rechtsstaat. Trauen Sie der britischen Justiz nicht?
Ich würde gerne. Aber sehen Sie: Das Vereinigte Königreich ist kein signifikanter Player in der Welt mehr. Leider! Jeglicher Mut oder vielleicht besser jegliche Kraft der Briten, den USA zu widerstehen, sich ihnen gegenüber zu behaupten und eine eigene Position ein­zu­nehmen, ist weg. Man kann es leider nicht anders sagen: Gross­britannien hat sich gegenüber Washington selbst aufgegeben.

Sie waren am Dienstag, 25. August, in Genf. Die Stadt bietet Ihrem Sohn Asyl an.
Die Unterstützung aus der Schweiz ist enorm. Das Genfer Parlament bietet Julian ein humanitäres ­Visum an. Was die beste Option für ihn wäre. Ein Spital in Genf ist auf die Behandlung von Folteropfern spezialisiert.

Hatten Sie bereits Kontakt mit Schweizer Behörden?
Ja, aber der Kontakt fand bisher erst informell statt, auf privater ­Basis. Ich arbeite weiter unter Hochdruck daran, dass ich unser Anliegen – ein humanitäres Visum für Julian – direkt bei der Schweizer Regierung deponieren kann.

Wie ist es als Vater, den eigenen Sohn in solchen Umständen erleben zu müssen?
Nicht gut. Aber wissen Sie, wenn das eigene Kind auf diese Art und Weise behandelt wird, bestärkt dies die Eltern einzig darin, alles ­Menschenmögliche für das Kind zu tun. Also kann ich Ihnen sagen: Die ganze ­Angelegenheit macht mich stärker. Ich kämpfe und ich werde nicht aufgeben.

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