Julia Klöckner wird als mögliche Bundeskanzlerin gehandelt
Wird sie die mächtigste Frau Europas?

Altkanzler Helmut Kohl bezeichnete sie als «Glücksfall» für die CDU. Für viele Deutsche ist klar: Julia Klöckner (42) ist die kommende Kanzlerin. Sie weicht dem Thema aus, Priorität hat ihre Karriere im Bundesland Rheinland-Pfalz. Die Winzerstochter studierte Theologie und Politwissenschaften. Nach neun Jahren im Bundestag ist sie nun Landes- und Fraktionsvorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz und stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei. Im BLICK-Interview äussert sie sich zum Islam, zu Europa und zur Schweiz.
Publiziert: 27.01.2015 um 15:09 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:20 Uhr
Interview Guido Felder

BLICK: Frau Klöckner, eines der grossen Themen in Europa ist der Islam. Organisationen wie Pegida wehren sich gegen eine Islamisierung. Was halten Sie von solchen Gruppierungen?
Julia Klöckner:
Ich sehe keine Islamisierung, sondern unterschiedliche Grade der Integration hier lebender Migranten. Pegida ist ein Sammelbecken jener, die sich benachteiligt fühlen. Otto Normalverbraucher demonstriert neben dem Rassisten oder Extremisten. Ich hoffe, dass – wenn die Abende wieder heller werden – viele dann auch bei Licht betrachtet sehen, neben wem sie da gelaufen sind. Gleichwohl darf man die Sorgen, die da geäussert werden, nicht einfach vom Tisch wischen.

Bei Ihren Auftritten setzen Sie sich mit Vehemenz für ein Burkaverbot in Deutschland ein. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Weil es einem überholten Frauenbild entspringt, dass sich Frauen vor Männern verhüllen müssen. Und ich will in einer offenen Gesellschaft dem Gegenüber offen ins Gesicht blicken können.

Die Schweiz hat mit dem Bauverbot von Minaretten und der Beschränkung der Zuwanderung international für Schlagzeilen gesorgt. Was glauben Sie, wie würden die Deutschen bei solchen Themen entscheiden, wenn sie abstimmen könnten?
Die Abstimmung über die Minarette wurde damals auch in Deutschland diskutiert. Bei einer Umfrage hat sich eine Mehrheit gegen ein solches Bauverbot ausgesprochen. Ich setze auf die Vernunft auf beiden Seiten. Das lässt sich in Deutschland ohne ein generelles Bauverbot regeln. Bei der Zuwanderung gibt es einerseits Ängste, anderseits aber auch eine grosse Hilfs- und Aufnahmebereitschaft für Flüchtlinge. Entscheidend ist, dass wir uns auf die Menschen konzentrieren, die tatsächlich der Hilfe bedürfen.

Was glauben Sie, wie wird sich Deutschland in den nächsten Jahren entwickeln?
Deutschland wird sich als Integrationsland den klassischen Einwanderungsländern annähern, die auf gezielte und gesteuerte Einwanderung setzen – und auf konsequente Integration. Das erfordert, dass wir die Regeln der Einwanderung im Wettbewerb um die besten Köpfe systematisch und sinnvoll ordnen – als Folge der demografischen Entwicklung.

Wie sehen Sie die Zukunft Europas?
Europa muss in einer kritischen Situation, in der es jetzt ist, klar erkennen, dass es nur als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit fester Integration und als eine aussenpolitische Schicksalsgemeinschaft in Zukunft bestehen wird.

Soll Griechenland den Euroraum verlassen?
Nein, die deutsche Politik ist darauf ausgerichtet, dass Griechenland ein Teil des Euro-raums ist und bleibt. Die Menschen dort haben grosse Opfer gebracht. Auch künftig geht es um Solidarität der Euro-staaten mit Griechenland und um die Eigenverantwortung der Griechen bei der Erfüllung der Konsolidierungsschritte.

Die Schweiz hat sich innerhalb Europas für einen Alleingang entschieden. Finden Sie das richtig?
Die Entscheidung der Schweiz resultiert aus ihrer Geschichte. Die Vor-, aber auch die Nachteile kennen die Schweizer selbst am besten.

Betrachten Sie die Schweiz als Vorbild für andere Staaten?
Beim Umgang mit dem Thema Haushalten ist die Schweiz sicherlich weit vorne. Die Schweizer haben sich bereits 2001 für eine Schuldenbremse ausgesprochen. Ein Blick auf die Schuldenquote zeigt, dass diese in der Schweiz weit geringer ist als in den EU-Staaten. Gerade mit Blick auf die Generationengerechtigkeit ist das vorausschauend, weil die Schulden von heute von den Steuerzahlern von morgen bezahlt werden müssen.

Sie werden als künftige Kanzlerin und somit mächtigste Frau Europas gehandelt. Reizt Sie dieser Job in Berlin?
Mit Angela Merkel haben wir eine starke Bundeskanzlerin, die grosses Ansehen bei den Bürgerinnen und Bürgern geniesst. Mein Platz ist in Rheinland-Pfalz. Im kommenden Jahr ist Landtagswahl. Unser Ziel ist der Regierungswechsel. Ich möchte in erster Linie mein Heimatbundesland als Ministerpräsidentin voranbringen.

Wie und in welchen Bereichen wollen Sie – vielleicht als Kanzlerin – auf die Entwicklung Ihres Landes und Europa einwirken?
Ich will mithelfen, dass die nach uns kommenden Generationen noch einen Rahmen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung haben. Das beginnt bei einem sorgsamen Umgang mit dem, was uns mitgegeben wurde, also der Bewahrung der Schöpfung. Und es reicht bis hin zu einer Haushaltspolitik, die nicht weitere Schulden auftürmt, weil das unseren Kindern und Enkeln Fesseln anlegt. Im Kern geht es darum, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft auch über Generationen zu bewahren.

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