Den kurzen Amtseid spricht er hölzern, seine Rede liest er ab. Über ihm thront wie ein mahnendes Vermächtnis ein riesiges Bild seines Vaters Hafis.
Und doch keimt an diesem 17. Juli 2000 in Syrien Hoffnung auf. Hafis al-Assad hatte das Land über Jahrzehnte mit eiserner Hand regiert. Einige Wochen nach seinem Tod übernimmt mit dem 34 Jahre alten Baschar eine neue Generation die Macht.
Baschar hat in England studiert und sich zum Augenarzt ausbilden lassen, wo er auch seine dort aufgewachsene spätere Frau Asma kennenlernte. Er gibt sich liberal und vor allem: Er verspricht Reformen. Vor dem Parlament redet er von Erneuerung, mehr Transparenz und der Akzeptanz anderer Meinungen. «Der demokratische Gedanke ist das Fundament», verspricht Assad.
Optimismus nach Hafis Tod
«Alle waren optimistisch, als der grosse Diktator starb», sagt der syrische Anwalt und Menschenrechtler Anwar al-Bunni, der damals in seiner Heimat Oppositionelle verteidigte. «Baschar hätte das ganze System an einem Tag ändern können, er hatte all die Macht dazu.» Die Mächtigen der Welt trafen sich mit ihm.
Enttäuschendes Fazit
20 Jahre später fällt nicht nur Al-Bunnis Fazit ernüchternd aus. Nach Assads Machtübernahme erlebte die Hauptstadt den «Damaszener Frühling». Intellektuelle konnten offener als je zuvor über Reformen diskutieren. Doch die berüchtigten Sicherheitsdienste bereiteten dem Aufbruch bald wieder ein Ende. Etliche Oppositionelle landeten im Gefängnis, auch Al-Bunni. «Baschar wollte gar keine Reformen», sagt der Anwalt, der heute in Berlin lebt. «Er hat damals gelogen.»
Baschar schaffte Korruptionswirtschaft
Von seinem Vater hat Baschar al-Assad gelernt, auf die Geheimdienste zu setzen. So sicherte er in einem Land mit mehrheitlich Sunniten die Macht der Alawiten, der religiösen Minderheit, der die Assad-Familie angehört. Er öffnete zwar die Wirtschaft, doch das kam nur wenigen zugute. «Baschar al-Assad hat eine Korruptionswirtschaft geschaffen, von der nur die Elite profitiert», sagt der syrische Menschenrechtsaktivist Masen Darwisch. «Er hat sich verhalten, als wäre Syrien ein Geschenk seines Vaters, sein persönlicher Besitz.»
Bürgerkrieg ohne Ende
Die Proteste während der arabischen Aufstände 2011 liess Assad niederschiessen. So stürzte das Land in einen blutigen Bürgerkrieg, in dem sich nach fast zehn Jahren noch immer kein Ende abzeichnet. Seine Macht hat der Präsident jedoch gesichert. Heute kontrollieren seine Anhänger wieder rund zwei Drittel des Landes am Euphrat.
Jubiläum in Tristesse
Dennoch feiert Assad ein Jubiläum in Tristesse. Seine Herrschaft hängt von Russland und dem Iran ab, den engsten Verbündeten, die ihm die Macht mit dem Einsatz ihrer Truppen gerettet haben. Assads eigene Armee ist nach dem langen Krieg ausgelaugt. Sie dürfte auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, das gesamte Land wieder unter Kontrolle zu bringen. Al-Bunni ist zudem überzeugt, dass selbst in vielen Regierungsgebieten nicht mehr Assad herrscht, sondern lokale Milzen das Sagen haben. Angeführt von Warlords, oft reiche Geschäftsleute.
Wirtschaftskrise verschärft Lage
Zudem leidet das ganze Land unter einer schweren Wirtschaftskrise. Das syrische Pfund ist zum Dollar auf ein Rekordtief gestürzt. Die Lebensmittelpreise explodieren. Das Welternährungsprogramms (WFP) warnt vor einer Hungerkrise, die sich im Land ausbreite. Viele Gebiete sind weiter zerstört, weil der Regierung die Mittel für den Wiederaufbau fehlen.
Die wirtschaftliche Lage sei eine «Katastrophe», sagt der syrische Wirtschaftsexperte Joseph Daher, der in Lausanne lehrt. Das Land müsse viele Güter importieren, habe aber kein Geld dafür, weil die Devisenvorräte erschöpft seien. Investitionen aus dem Ausland gebe es praktisch keine mehr: «Syrien ist keine Umgebung für Investitionen.»
Unmut im Volk
Die Assad-Herrschaft trifft das ins Mark. Es gibt Anzeichen für Verteilungskämpfe innerhalb der Herrschaftsschicht. Auch im Volk scheint der Unmut zu wachsen. Als der syrische Gesundheitsminister vor einiger Zeit der regierungstreuen Zeitung «Al-Watan» versicherte, die Versorgung mit Medikamenten sei gesichert, brachen in deren Kommentarspalte auf Facebook Proteste los: «Dieser Minister ist ein gemeiner Lügner», schrieb ein Mann, der Damaskus als Wohnort angibt.
Neue Sanktionen der USA könnten die Lage noch weiter verschärfen. Assads Macht scheint trotzdem sicher zu sein. Innerhalb der Elite zeichnet sich niemand ab, der ihn ersetzen könnten. «Gott, Syrien, Baschar und sonst nichts», rufen Assads Anhänger weiter mit Inbrunst.
Parlamentswahl ein Witz
Am Sonntag, zwei Tage nach Assads Jubiläum im Präsidentenpalast, wählen die Syrer ein neues Parlament. Auch diese Abstimmung wird an den realen Machtverhältnissen in dem Bürgerkriegsland nichts ändern. Beobachter halten sie für eine Farce, für ein demokratisches Mäntelchen, das Assads autoritäre Herrschaft verbergen soll. «Diese Wahl ist ein Witz», sagt der Menschenrechtsaktivist Al-Bunni. (SDA)
Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:
- Syrische Regierung
Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen. - Die Rebellen
Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig. - Die Türkei
Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden. - Die Kurden
Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes. - Die USA
Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.
- Der IS
Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.
Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:
- Syrische Regierung
Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen. - Die Rebellen
Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig. - Die Türkei
Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden. - Die Kurden
Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes. - Die USA
Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.
- Der IS
Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.