Wissenschaftler Sikhuile Moyo aus Botswana leitet das Team, das die Omikron-Variante identifizierte. In einem ausführlichen Interview mit dem amerikanischen Hörfunksender NPR spricht er über die Entdeckung der Corona-Mutation und dessen Folgen für die südlichen Länder Afrikas. Darin zeigt er sich enttäuscht über die Reaktion der Weltgemeinschaft.
«Botswana und Südafrika machten die Welt auf diese Variante aufmerksam», sagt Moyo, «und dann bestrafte man die Länder, die vor einem potenziell gefährlichen Erreger warnten, mit Reiseverboten.» Denn nach der Entdeckung stellten viele Länder ihre Flüge nach Südafrika ein. Auch Waren kamen nur noch verzögert in seiner Heimat Botswana an.
«Ihr habt uns das Weihnachtsfest zerstört»
«Viele Unternehmen verloren Millionen. Und unsere Impfstoffversorgung war bedroht», so Moyo. Er hatte gedacht, dass die globale Gesundheitsgemeinschaft nach zwei Jahren Epidemie besser reagieren würde und sich besser koordinieren könne.
«Die Entdeckung der Omikron-Variante hinterliess in Botswana eine Spur der Verwüstung.» Auf die Frage, wie Bevölkerung in Botswana reagierte, antwortet der Forscher. «Einige Leute sagen: ‹Ihr Wissenschaftler, ihr Grossmäuler, seht, was ihr getan habt. Ihr habt uns das Weihnachtsfest zerstört.›»
Dabei sei die neue Variante bei Reisenden gefunden worden, die Berichten zufolge aus Europa eingeflogen sind. Er ist überzeugt: Eine Woche vor der öffentlichen Bekanntmachung der Omikron-Entdeckung in Afrika sei die Variante bereits in den Niederlanden festgestellt worden.
«Die Anzahl der Mutationen war unglaublich»
Im Interview schildert Moyo auch, wie sein Team die Entdeckung machte. «Wir verglichen die neue Variante mit anderen in Botswana zirkulierenden Sequenzen und stellten fest, dass dies ein ungewöhnliches Mutations-Muster ist. Die Anzahl der Mutationen, die das Virus hatte, war einfach unglaublich.» Das Team habe sofort den Gesundheitsminister alarmiert und die internationalen Datenbanken durchsucht. «Wir stellten fest, dass die Variante in Afrika noch nicht zu sehen war. Die nächste verwandte Variante, die als Ursprung angesehen werden kann, hiess B.1.1.207. Das war eine Abstammungslinie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.»
Andere Gruppen in Südafrika hätten zur gleichen Zeit ebenfalls Proben sequenziert. Bald entdeckte Moyos Team in Botswana, dass die Südafrikaner in einer regionalen Datenbank Daten über eine neue Variante hinterlegt hatten, die jenen aus Botswana sehr ähnlich sahen. Südafrika tat den wichtigen Schritt und erstattete der WHO Bericht.
Die bald darauf ausgerufenen Reiseverbote für die südlichen Länder Südafrika hält Sikhuile Moyo zwar nicht gleich für offenen Rassismus, aber: «Ich würde es eine unfaire Behandlung afrikanischer Länder nennen.» Als die Alpha-Variante in Grossbritannien wütete, habe auch niemand das vereinte Königreich auf die rote Liste gesetzt.
Dem Westen sollte wichtig sein, dass Äthiopier oder Guineer geimpft sind
«Wir müssen verstehen, dass wir ein globales Dorf sind. Natürlich können Anforderungen für die Einreise einschliesslich einer Quarantäne und Tests die Situation verbessern. Aber wir müssen akzeptieren, dass diese Viren Grenzen nicht respektieren.»
Im Gespräch spricht Moyo auch über die tiefen Impfzahlen in Afrika. «Schauen Sie sich nur die Statistiken an, Sie werden schockiert sein. Guinea hat 6,2 Prozent Geimpfte, Libyen 11 Prozent und Ghana, 2,7 Prozent. Selbst Kenia hat weniger als 10 Prozent. Wir sprechen hier von so vielen Menschen, die nicht geimpft sind.»
Doch auch einem Bürger in der westlichen Welt sollte es wichtig sein, dass jemand in Äthiopien oder Guinea geimpft ist. «Wenn wir die Impfung in diesen Ländern erhöhen, wird die Wahrscheinlichkeit sinken, dass das Virus mehr Mutanten erzeugt.» (ct)