Die USA melden fast täglich neue Höchststände an Infektionszahlen. Am Donnerstag lag die Zahl der landesweiten Neuansteckungen bei 39'972, am Freitag bei 40'173 - am 1. Juni noch bei 16'040. Dabei grassiert das Virus ausgerechnet in südlichen republikanischen Bundesstaaten am meisten, wo Corona-Schutzmasken und -Massnahmen bislang als verpönt galten. Doch jetzt unter wachsendem Infektionsdruck mit vollen Intensivstationen von Krankenhäusern scheinen auch Republikaner umzudenken.
Im traditionell republikanischen Texas sind die täglichen Neuinfektionen am Donnerstag um 5996 Fälle hochgeschnellt. Jeder neue Tag liefert einen neuen Rekordwert. Am 1. Juni lag die Zahl noch bei 593 neuen Fällen. Präsident Trump versuchte die desolate Lage am Donnerstag zwar abermals herunterzuspielen: «Wenn wir nicht testen würden, hätten wir keine Fälle», so Trump zu «Fox News».
Pence fordert Amerikaner zum Beten auf
In die gleiche Kerbe schlägt Vizepräsident Mike Pence (61). Die höheren Infektionszahlen hätten mit einer Ausweitung der Tests zu tun: «Wir haben wirklich bemerkenswerte Fortschritte gemacht», sagte Pence am Freitag beim ersten Briefing der Coronavirus Taskforce des Weissen Hauses seit zwei Monaten. Zwar steige die Zahl der bestätigten Neuinfektionen, nicht aber jene der Todesopfer. Mehr Tests, so Pence wie sein Chef, führen zur mehr bestätigten Corona-Fällen.
Als Schutzmassnahme rief Pence die Menschen des Landes zum Beten auf. «Beten Sie einfach weiter, dass jeder von uns durch Gottes Gnade jeden Tag seinen Teil zur Heilung unseres Landes beiträgt», sagte Pence, der die Taskforce präsidiert. Dem prominenten US-Virologen und Präsidentenberater Anthony Fauci (79) blieb zu sagen: «Wir haben in bestimmten Gebieten ein ernstes Problem.»
Republikaner schwenken um
Trotz all der Durchhalteparolen der US-Führung reiben sich jetzt auch die vom Virus am stärksten betroffenen südlichen Bundesstaaten wie Texas und Arizona die Augen. Das Tragen der Schutzmaske gilt im republikanischen Konservativismus zwar als inakzeptabler Eingriff in die persönliche Freiheit. Auch in Phoenix in Arizona, wo Trump diese Woche vor 3000 jubelnden Anhängern in einer Kirche aufgetreten war, waren weder Schutzmasken noch Abstandhalten Pflicht. Doch jetzt kriegen es selbst hartgesottene Republikaner mit der Angst zu tun.
Greg Abbott (62), republikanischer Gouverneur von Texas, war während Wochen stur geblieben und erachtete Corona-Schutzmassnahmen als fragwürdige Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Jetzt erfolgt Abbotts 180-Grad-Wende. Diese Woche sprach er von einem «massiven Ausbruch» in Texas - und trägt neuerdings die Maske.
Dabei hatten Menschen in den jetzt vom Virus überrollten Bundesstaaten auf der Strasse gegen Masken und gegen den Shutdown demonstriert. Texas und auch das republikanisch regierte Florida hoben die Schutzmassnahmen voreilig auf - um ein paar Wochen verzögert fegt jetzt eine zweite, die Hauptwelle, über diese Bundesstaaten.
Trump, ohne Maske, mit schlechtem Beispiel voran
Auch in den republikanischen Südstaaten Arkansas und South Carolina ist die Lage alarmierend, während die Kurve der Neuinfektionen in Florida seit Monatsbeginn von einem neuen Höchststand zum nächsten klettert. Gouverneur Ron DeSantis (41), ein politischer Liebling des Präsidenten, konnte es nicht schnell genug gehen mit der Lockerung von Corona-Beschränkungen. Jetzt hat DeSantis ein so gewaltiges Problem wie sein texanischer Gouverneurskollege Abbott.
Dies, während es noch immer kein einziges Foto von Trump gibt, auf dem er eine Schutzmaske trägt. Weil der US-Präsident diese kategorisch ablehnt und noch nie eine getragen hat.
Trump geht mit schlechtem Beispiel voran, während es seiner Nation wie Schuppen von den Augen fällt, dass das Pochen auf persönliche Freiheit nicht nur die Gesundheit von anderen gefährden kann, sondern auch die eigene.
EU hält an Einreiseverbot für Amerikaner fest
125'000 Menschen in den USA starben bisher mit Covid-19, fast 2,5 Millionen sind infiziert. Das sind mehr Infizierte und mehr Tote als in jedem anderen Land der Welt. Auch die US-Aussenbeziehungen leiden an der neuen Infektionswelle im Land. Wenn die EU am 1. Juli ihre Aussengrenzen nach monatelangem Lockdown wieder öffnet, werden neben Russen und Brasilianern auch Amerikaner fehlen.
Brüssel zählt die USA zu den Nationen, die als zu riskant angesehen werden, weil sie den Coronavirus-Ausbruch nicht unter Kontrolle bringen, berichtet die «New York Times». Dies, während die EU China zu den akzeptierten Ländern zählen will - unter der Bedingungen, dass EU-Bürgern ebenfalls die Einreise nach China gewährt wird.