Es sind lange und arbeitsreiche Tage für Frank-Walter Steinmeier. Denn nach dem Scheitern der Berliner Koalitionsgespräche ist – so das Gesetz – der Bundespräsident der Herr des weiteren Verfahrens.
Er wird in dieser Woche die Vertreter der beiden christlichen Parteien, der Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten zu Gesprächen empfangen. Im nächsten Schritt muss Steinmeier den Kanzlerkandidaten der grössten Fraktion zur Abstimmung vor den Bundestag schicken.
Scheitert dieser Versuch, dann bleiben nur noch zwei Optionen: eine Minderheitsregierung – oder eben Neuwahlen, die vermutlich im April 2018 stattfinden würden.
Steinmeier appelliert an die Parteien
Frank-Walter Steinmeier, so viel ist bekannt, ist weder von der Idee einer Minoritätsregierung noch von der Aussicht auf Neuwahlen begeistert. Er sieht die Parteien weiterhin in der Pflicht, sich um die Erfüllung des Wählerauftrags vom 24. September zu bemühen.
Denn, so der Präsident unmissverständlich an die Adresse der Freien Demokraten (FDP) und der Sozialdemokraten (SPD): «Wer im Wahlkampf um politische Verantwortung bittet, darf sie dann, wenn er sie hat, nicht aufgeben.»
FDP-Chef Christian Lindner hatte in der Nacht zum Montag die Koalitionsgespräche platzen lassen. Der Sozialdemokrat Martin Schulz hat seine Absage vom Wahlabend an eine Neuauflage der Grossen Koalition inzwischen mehrfach bekräftigt.
Parteichefs kämpfen um ihre Posten
Lindner und Schulz wissen: Einerseits kann es ohne einen von ihnen keine neue deutsche Regierung geben. Dem Drängen des Präsidenten nachzugeben, würde zugleich aber einen grossen persönlichen Gesichtsverlust bedeuten.
Schulz, der noch zu Beginn des Jahres als sozialdemokratischer Heilsbringer galt, hat das schlechteste Wahlergebnis der Sozialdemokraten seit Jahrzehnten zu verantworten. Jetzt soll die SPD die führende Oppositions-Partei werden, um diese Rolle nicht der AfD zu überlassen. Im Dezember muss sich Schulz dem Parteitag stellen. Dort will er seinen Kopf mit einem ehrgeizigen Reformprogramm retten.