Jetzt auch in Frankreich und bald in Israel
Die Bestrafung von Freiern macht Schule

Punkto Prostitution herrscht in Schweden eine andere Haltung als in der Schweiz: Vor 20 Jahren verbot Stockholm den Kauf von Sex. Der Erfolg des Modells ist umstritten. Doch immer mehr Länder ziehen nach.
Publiziert: 28.05.2018 um 15:14 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:47 Uhr
Femen-Aktivistinnen und die feministische Bewegung MLF (Mouvement de libération des femmes) kämpften vor zwei Jahren Hand in Hand für die Einführung des Prostitutionsgesetzes nach schwedischem Vorbild.
Foto: AFP
Aline Wüst

Dass die Prostitution das älteste Gewerbe der Welt ist, lässt sich nicht belegen.

Näher an der Wahrheit liegt wohl, dass sie sich aus der Sklaverei entwickelt hat: Frauen gehörten in früheren Zeiten zur Kriegsbeute. Der Besitzer durfte mit ihnen machen, was er wollte. Sie selber benutzen oder gegen Geld weiterreichen. Gleichgültig aber, woher sie stammt – wie mit Prostitution umzugehen wäre, ist bis heute nicht geklärt. Selbst innerhalb Europas existieren unterschiedlichste Gesetzgebungen. Die Schweiz, wo käuflicher Sex seit 1942 legal ist, gilt als eines der liberalsten Länder. Albanien und Serbien hingegen verbieten die Prostitution gänzlich.

Schweden als Vorreiter

Einen dritten Weg haben die Schweden beschritten: Als erste Nation der Welt führten sie das Verbot ein, Sex zu kaufen. Das bedeutet: Freier können mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden, Prostituierte hingegen machen sich nicht strafbar. Die Frauen sollen vielmehr mit vielfältigen Massnahmen beim Ausstieg unterstützt werden.

Hinter der Freier-feindlichen Handhabung der Prostitution in Schweden steht das Verständnis, dass es keine selbstbestimmte Sexarbeit geben kann, weil zwischen Freier und Prostituierter immer ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Diese strukturelle Gewalt gegen Frauen passe nicht in eine gleich­berechtigte Gesellschaft.

Schweden spricht nach mehr als 20 Jahren Erfahrung von einem Erfolg: Die Strassenprostitution habe sich halbiert, während sie in den Nachbarländern auf das Dreifache angestiegen sei. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass sich das Gewerbe an andere Orte verschoben habe.

Die Regierung in Stockholm ist ausserdem überzeugt, dass die Anzahl der Opfer von Menschenhandel deshalb tiefer ist als in den Nachbarländern, weil das Gesetz auf Zuhälter und Menschenhändler abschreckend wirkt. Nicht zuletzt loben die Schweden auch den Effekt ihres Verbots auf die Gleichstellung. Eine Frau für Sex zu kaufen, gelte mittlerweile als verpönt.

Kritiker argumentieren, die Prostitution habe nicht abgenommen, sondern sei einfach in den Untergrund gedrängt worden. Dort aber seien die Frauen heute recht- und schutzloser als je zuvor.
Doch macht das schwedische Modell Schule: Island, Norwegen, Nordirland, Irland, Frankreich und Kanada haben es übernommen. Auch Israel prüft ein entsprechendes Gesetz.

In Deutschland hat die 2002 eingeführte liberale Regelung für die Prostituierten zu einer Verschlechterung ihrer Situation geführt. Das Sexgewerbe ist sprunghaft angewachsen und liegt mehrheitlich in den Händen krimineller Organisationen.

Die Regierung in Berlin hat das Prostitutionsgesetz daher im vergangenen Jahr angepasst, um die betroffenen Frauen besser zu schützen. Bisher jedoch lässt der gewünschte Effekt auf sich warten.

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