Jemen-Konflikt eskaliert
Huthi-Milizen warnen vor «grossem Krieg»

Im Jemen tobt ein Kampf zwischen den schiitischen Huthi-Milizen und den Truppen des Präsidenten. Nachdem dessen Palast im Süden des Landes gestern bombardiert wurde, schlagen die Nachbarstaaten nun zurück. Es droht ein blutiger Stellvertreterkrieg.
Publiziert: 26.03.2015 um 20:59 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:56 Uhr
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Gestern um Mitternacht Ortszeit begann die Koalition mit den Luftschlägen. Zahlreiche Bomben trafen die Hauptstadt Sanaa.
Foto: Keystone

Die Operation «Sturm der Entschlossenheit» ist in vollem Gang. Mit Unterstützung der Luftwaffen neun weiterer Länder, darunter die Golfstaaten Bahrain, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, hat Saudi-Arabien gestern Abend mit der Bombardierung von Huthi-Stellungen im Land ganz im Süden der Arabischen Halbinsel begonnen.

Die Regierung Saudi-Arabiens und jene der Golfstaaten würden das militärische Eingreifen «bereuen», sagte Mohammed Al-Bukhaiti, ein führender Huthi-Milizionär. Die Operation sei der Beginn eines «grossen Krieges» in der Region.

Und tatsächlich könnte der Machtkampf im Jemen nicht nur zum Bürgerkrieg, sondern zum Stellvertreterkrieg werden. Zu einem Krieg der Konfessionen auch über die Landesgrenzen hinweg. Die schiitischen Huthi-Milizen, die im September die jemenitische Hauptstadt einnahmen und sich seither weiter auf dem Vormarsch gegen Süden befinden, werden von der schiitischen Schutzmacht Iran mit Waffen, Geld und militärischer Ausbildung unterstützt.

Ein Grossteil der jemenitischen Armee, darunter hochrangige Militärs, sind inzwischen zu den Rebellen übergelaufen. Sie verbindet die Feindschaft zum sunnitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi, der nach dem Putsch des früheren Präsidenten 2012 an die Macht gekommen war. Der Vorgänger, Ali Abdullah Salih, ist Verbündeter der Huthi-Rebellen.

Ein zweites Mal geflohen

Präsident Hadi hatte in den vergangenen Wochen um die Hilfe der Golfstaaten, insbesondere Saudi Arabiens, gebeten. Er war Ende Februar angesichts der heftigen Kämpfe aus der Hauptstadt Sanaa in die Hafenstadt Aden im Süden des Landes geflohen. Nun ergriff er erneut die Flucht. Er soll sich per Boot nach Dschibuti abgesetzt haben, heisst es. Von offizieller Seite bestätigt wurde dies allerdings nicht. 

Im Januar hatten die Huthi-Milizen in Sanaa Regierungsgebäude sowie die private Residenz Hadis besetzt. Zwei Tage später traten er und die Regierung zurück, später folgte die Auflösung des Parlaments durch die Huthi. Im Jemen herrscht seither ein Machtvakuum. Die Rebellen sind den Truppen Hadis überlegen, Experten zufolge haben sie jedoch Mühe damit, ihre Macht in den eroberten Regionen zu halten und zu festigen. Dies schaffe die «Voraussetzungen für einen langen Konflikt oder Bürgerkrieg», sagt Ibrahim Sharqieh, stellvertretender Direktor des Brookings Doha Center, ein US-Forschungszentrum mit Sitz in Katar, zur «New York Times». 

Nach seiner Flucht erklärte Präsident Hadi Aden zur neuen Hauptstadt. Die Rebellen rückten in den vergangenen Tagen immer näher an die Hafenstadt vor, nahmen die bis vor Kurzem von den USA benutzten Luftwaffenstützpunkt Al-Anad vor den Toren Adens ein. Gestern bombardierten sie die Residenz Hadis und zwangen ihn damit zur erneuten Flucht.

Bodenoffensive nicht ausgeschlossen

Angesichts der jüngsten Entwicklungen handelte Saudi-Arabien nun – und griff direkt in den Konflikt ein. Die USA, ein Verbündeter Hadis, hat eigenen Angaben zufolge vor Beginn der Bombardierung Kenntnis von den Plänen erhalten. Sie unterstützt die Koalition mit «logistischer und geheimdienstlicher Hilfe».

Allein Saudi-Arabien stellt laut dem saudischen Botschafter in den USA, Adel al-Jubeir, 150'000 Soldaten und 100 Kampfjets für die Operation bereit. Die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligen sich mit 30, die restlichen Staaten zusammen mit über 50 weiteren Flugzeugen.

Sollten Luftangriffe die Milizen nicht am Vormarsch aufhalten, scheuen die Saudis auch nicht davor zurück, Bodentruppen in das südliche Nachbarland zu entsenden. Andere Staaten würden mitziehen, sagte Jubeir.

Dschihadisten profitieren

Iran hat das militärische Eingreifen aufs Schärfste verurteilt. «Diese Angriffe sind nicht nur eine Verletzung der territorialen Integrität des Jemens, sondern auch eine sehr gefährliche Entwicklung», sagte die Sprecherin des iranischen Aussenministeriums, Marsieh Afcham. Der Aussenminister Irans, Dschawad Sarif, meinte, man werde «alles daran setzen, die Krise im Jemen unter Kontrolle zu bringen». Wie weit er zu gehen bereit ist, liess er offen.

Die Gefahr besteht, dass der Konflikt vor allem den nicht direkt beteiligten Dschihadisten in die Hände spielt. In den Wirren des syrischen Bürgerkriegs konnten sich Terrororganisation wie die Miliz Islamischer Staat ausbreiten. Dass es im Jemen, dem Hafen der Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel, zu einer ähnlichen Entwicklung kommt, wird befürchtet. (lha)

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