Auf einen Blick
- Jean-Marie Le Pen, Gründer der französischen Rechtsextremen, stirbt mit 96 Jahren
- Le Pen war bekannt für Provokationen und umstrittene Äusserungen zur NS-Zeit
- 2002 erreichte er mit 16,86% der Stimmen die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen
Er hätte Gladiator werden können. Er liebte Duelle, Wortgefechte, aber auch Schlägereien, und zwar richtig, mit Fäusten und Eisenstangen. Der am Dienstag, dem 7. Januar im Alter von 96 Jahren verstorbene Jean-Marie Le Pen war stets ein entschlossener Kämpfer der französischen und europäischen extremen Rechten, deren ideologische Wurzeln in den nationalistischen Wirren der Zwischenkriegszeit, im Faschismus und im Kolonialismus lagen.
Er, der seit zehn Jahren zurückgezogen mit seiner Frau Jany (92) lebte, war ein Stück Geschichte für sich. Er war Fallschirmjägeroffizier und wurde beschuldigt, während des Algerienkriegs Rebellen gefoltert zu haben. Für seinen Lebensunterhalt hatte er Schallplatten und Bücher für Nostalgiker des Dritten Reichs verlegt. In den 1970er-Jahren erbte er auf umstrittene Weise das Vermögen eines Zementherstellers, Hubert Lambert, der ihn total verehrte.
Marine brach mit Vater
Jean-Marie Le Pen gehörte zusammen mit dem Schweizer Bankier François Genoud (†80) zu den Männern, die die Entstehung einer multikulturellen Gesellschaft und den Rückgang der weissen, westlichen und christlichen Dominanz in der Welt nie akzeptieren wollten. Mit diesem Vater wuchs Marine Le Pen (56), seine Erbin, auf, bevor sie öffentlich mit ihm brach und 2011 die Führung des Front National übernahm, der sieben Jahre später in Rassemblement National umgewandelt wurde.
Man muss gesehen haben, wie Jean-Marie Le Pen auf dem RN-Kongress 2014 in Lyon auf die Bühne kam und einen Boxkampf mimte. Er schlug ins Leere, während auf einer grossen Leinwand Bilder aus seinem politischen Leben, einschliesslich der härtesten Auseinandersetzungen mit seinen Gegnern, liefen. «Der Hinkelstein», wie er wegen seiner Herkunft aus Trinité-sur-Mer in der Bretagne genannt wurde, nahm sich nicht zurück. Fotos zeigen, wie er während eines umkämpften Wahlkampfs eine Kandidatin einer gegnerischen Partei anbrüllt.
Das Leben im Schloss
Le Pen liebte das Geld. Er häufte es an. Er lebte in einem Schloss auf den Anhöhen von Saint-Cloud, westlich von Paris, auf das er von seinem Büro aus einen herrlichen Blick hatte. Er wurde verdächtigt, in der Schweiz ein verstecktes Konto mit 2,2 Millionen Euro unterhalten zu haben. Im Jahr 2024 enthüllte die Website Médiapart neue Dokumente, die belegten, dass diese Gelder bei einer helvetischen Bank angelegt worden waren.
Jean-Marie Le Pen erlaubte sich alles, bis hin zu mehreren Verurteilungen wegen «Verleumdung» und «Verherrlichung von Kriegsverbrechen». Der Nährboden für seine rechtsextreme Strömung ist das Vichy-Regime von Marschall Pétain unter der Nazi-Besatzung, auch wenn er sich als Jugendlicher im Namen der Verteidigung der Nation im antideutschen Widerstand engagierte.
Kein Freund von Trump
Jean-Marie Le Pen liebte die griechische und römische Antike. Er zitierte Plutarch und Platon. Er zog das Russland der Zaren dem amerikanischen Wilden Westen vor. Donald Trump (78) mochte er nicht, er war ihm zu vulgär und grobschlächtig.
Sein politischer Ruhmestag war der 21. April 2002, als er in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen gegen Jacques Chirac (1932–2019) einzog, nachdem er im ersten Wahlgang den scheidenden sozialistischen Premierminister Lionel Jospin (87) knapp überholt hatte.
Jean-Marie Le Pen war der Gladiator, der die Mächtigen das Fürchten lehrte. Seine Tochter blieb der gleiche Erfolg bisher verwehrt. Es ist ihr (noch) nicht gelungen, die gläserne Decke zu durchbrechen, die ihr Vater 2002 als Erster angehoben hatte.