Am Dienstag hat Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un erneut eine Rakete abgefeuert. Das Geschoss flog über Nordjapan hinweg und zerschellte nach 2700 Kilometern in drei Teilen im Pazifik. Die Rakete erreichte eine Höhe von 550 Kilometern. Japan sprach von einer «beispiellosen ernsten» Bedrohung.
Mit dem jüngsten Test erreicht der Konflikt um Nordkorea eine neue Eskalationsstufe. Es war nicht das erste Mal, dass eine Rakete Nordkoreas über Japan hinwegflog. Schon 2009 herrschte über Japan Raketenalarm. Es ist aber das erste Mal, dass das unangekündigt erfolgt ist.
Japans Premieminister Shinzo Abe rief umgehend US-Präsident Donald Trump an. Dieser hätte ihm versichert, die USA stünden «zu 100 Prozent» hinter Japan. Der US-Präsident sehe die Verteidigung Japans als eine wichtige Verpflichtung an.
In Südkorea wies Präsident Moon Jae In die Streitkräfte an, ihre Kampfkraft zu demonstrieren. Vier F15K-Kampfjets liessen daraufhin nach Angaben eines Sprechers auf einen Schiessplatz in der Nähe der innerkoreanischen Grenze Bomben fallen. Bei der Übung ist die nordkoreanische Führung als simuliertes Ziel ausgegeben worden.
Obwohl Japan in den letzten Tagen sein Patriot-Abwehrsystem in Betrieb genommen hat, wurde das feindliche Geschoss nicht vom Himmel geholt. Albert A. Stahel, ehemals Professor für Strategische Studien an der Universität Zürich, beantwortet die wichtigsten Fragen zur jüngsten Eskalationsstufe.
Warum schiesst Japan die feindliche Rakete nicht ab?
Offiziell sagte Verteidigungsminister Itsunori Onodera: «Radaranlagen der Selbstverteidigungskräfte haben den Flug der Rakete festgestellt. Da aber kein Schadensrisiko bestanden hat, ist die Entscheidung getroffen worden, die Rakete nicht abzufeuern.» Albert A. Stahel sieht das anders: «Die Japaner haben Schiss.» Ihnen sei von den Amerikanern Pazifismus eingetrichtert worden. Und wie «bei der Gehirnwäsche der Deutschen» heisse es auch in Japan: Nie wieder Krieg!
Warum greifen die Sanktionen gegen Nordkorea nicht?
Sie würden greifen, wenn auch China sie vollständig umsetzen würde. Stahel: «China liefert immer noch Nahrungsmittel und nimmt im Gegenzug Kohle und andere Rohstoffe.» China müsste die Schraube anziehen, wage es aber kaum. «China ist sehr vorsichtig, denn Kim könnte mit seinen Raketen auch chinesisches Territorium angreifen.»
Wie weit werden die Provokationen noch gehen?
Kim Jong Un provoziert immer weiter. «Er macht es sehr geschickt, er zündelt ganz knapp vor einem Krieg», sagt Stahel. Es gebe ein Vorbild, das ähnlich vorgegangen sei, den Bogen aber überspannt habe: Adolf Hitler, als er in Polen einmarschierte. Stahel: «Kim ist sehr clever. Er wird einen solchen Fehler wohl nicht machen.»
Warum schiesst Nordkorea gegen Japan?
Auch Kims Vater hatte schon Richtung Japan geschossen. «Die Nordkoreaner wollen gegen die ehemaligen Besatzer vorgehen und zeigen: Wir sind die wahren Kämpfer», sagt Stahel.
Wie gross ist die Gefahr eines Krieges?
Es will niemand Krieg, weder Kim noch Trump. Stahel: «Donald Trump wird so lange wie möglich versuchen, über China Druck auf Nordkorea auszuüben.»