Gebäude fallen zusammen wie Kartenhäuser. Strassen brechen auf. Überall liegen Trümmer. Menschen übernachten draussen aus Angst vor Nachbeben. Zwei Frauen sterben. 39 Personen werden verletzt, eine schwer. 2600 sind ohne Obdach.
Die Bilder der Zerstörung auf Ischia erinnern an andere Katastrophengebiete. Und doch fand am Montagabend, um 21.57 Uhr, auf der Ferieninsel im Golf von Neapel nur ein Minibeben statt. Die Stärke auf der Richterskala betrug lediglich 4,0. In Amatrice 2016 waren es 6,0, im japanischen Fukushima 2011 sogar 8,8.
«Es ist absurd, bei einem Beben dieser Grösse zu sterben», sagt der Präsident des italienischen Nationalrats der Geologen, Francesco Peduto, in Rai News. Auch sein Kollege Mario Tozzi wettert: «Es ist typisch Italien. Hier lauern die Beben immer im Hinterhalt. Man weiss vom Risiko, ignoriert es aber.» Der Geologe stellt fest: «Bei 4 auf der Richterskala sollten keine Häuser kollabieren. Die Bauten hier wurden nicht erdbebensicher gemacht.»
Eine ganze Familie ist unter den Trümmern verschüttet
Schuld oder nicht schuld, daran denken die Feuerwehrleute in Casamicciola nicht. Das Beben traf den 8362-Einwohner-Ort am stärksten. Eine ganze Nacht lang graben Männer der Feuerwehr nach einer verschütteten Familie. Vater, Mutter und drei Kinder. Gute 16 Stunden nach dem Beben bricht Jubel aus. Über die verstaubten Gesichter der Männer rollen Tränen der Freude. Alle Verschütteten sind gerettet. Und wohlauf.
Die Eltern Alessandro und Alessia sind die Ersten, die befreit werden können. Um vier Uhr morgens ziehen die Feuerwehrleute ihr Baby (7 Monate) aus dem Schutt. Das Bangen um die Buben Mattias (8) und Ciro (11) geht weiter.
Der 11-jährige Ciro rettet seinem Bruder (8) das Leben
Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Den Rettern gelingt es, einen kleinen Schacht zu graben. Sie reichen den verschütteten Kindern Wasserflaschen. Um elf Uhr ziehen sie Mattias ins Freie. Jetzt wartet nur noch Ciro. Gegen 13 Uhr ist es so weit. Über 16 Stunden nach dem Beben ist auch der älteste der Brüder frei. Er hatte seinen kleinen Bruder unter ein Bett geschoben und ihm so das Leben gerettet. Happy End in einer Katastrophe, die mit gewissenhafter Vorsorge vielleicht hätte verhindert werden können.