Nach Draghi-Rücktritt
Parlament wird aufgelöst – in Italien gibt es Neuwahlen

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi tritt zurück. Staatschef Sergio Mattarella hat den entsprechenden Antrag angenommen, zudem wird das Parlament aufgelöst. Die Regierung bleibt zunächst für laufende Geschäfte im Amt.
Publiziert: 21.07.2022 um 07:57 Uhr
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Aktualisiert: 21.07.2022 um 17:53 Uhr
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Italiens Ministerpräsident Mario Draghi tritt zurück.
Foto: OLIVER WEIKEN

Der italienische Ministerpräsident Mario Dragi (74) tritt zurück. Das erklärte er am Donnerstag vor dem Parlament. Der Schritt galt als wahrscheinlich, seit er am Mittwoch zwar eine Vertrauensabstimmung gewann, die wichtigsten Koalitionspartner dem Votum aber ferngeblieben waren. Danach ging er zu Staatspräsident Sergio Mattarella (80), der den Antrag annahm.

Mattarella leitete am Donnerstagabend auch die Auflösung des Parlaments ein. Er hat ein Dekret zur Auflösung der beiden Parlamentskammern unterschrieben. Damit wird es in Italien eine Neuwahl geben.

Fünf-Sterne-Bewegung brachte Krise ins Rollen

Draghi gewann zwar am Mittwoch das Vertrauensvotum im Senat, jedoch nicht mit der von ihm erwünschten breiten Mehrheit, denn die drei Regierungsparteien Lega, Forza Italia und die Fünf-Sterne-Bewegung stimmten nicht mit ab. Wie üblich bei Parlamentsentscheidungen, muss nun auch die Abgeordnetenkammer votieren.

Auslöser der Regierungskrise war das ausgebliebene Vertrauen der Fünf-Sterne-Bewegung für das Kabinett des parteilosen Ex-Chefs der Europäischen Zentralbank. Bei einer Abstimmung vor einer Woche hatte die mitregierende Mitte-Links-Partei Draghi wegen Uneinigkeiten über ein Hilfspaket und den darin enthaltenen Bau einer Müllverbrennungsanlage in Rom das Vertrauen verweigert und damit die Regierungskrise eskalieren lassen. Draghi reichte daraufhin bei Staatschef Mattarella seinen Rücktritt ein. Dieser lehnte Draghis Gesuch da aber noch ab und bestellte ihn stattdessen für diesen Mittwoch zu einer Aussprache in den Senat.

«Hätten unter keinen Bedingungen weitermachen können»

Am Mittwoch gewann er zwar im Senat das erwartete Vertrauensvotum mit 95-Ja zu 38-Nein-Stimmen. Durch die Enthaltungen war Draghis Wunsch von der Unterstützung einer breiten Parlamentsmehrheit aber dahin.

Italiens Politik zeigte sich nach dem verpassten Ziel bei der Vertrauensabstimmung schockiert, entrüstet, aber mitunter auch erfreut. «Es gab keine Bedingungen mehr, unter denen wir in einer loyalen Zusammenarbeit weitermachen hätten können», sagte der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Giuseppe Conte, noch am Mittwoch.

Die Zukunft Italiens verzockt?

«Die Regierung Draghis zu Fall zu bringen bedeutet, gegen Italien und die Interessen der Italiener zu sein», erklärte der Chef der mitregierenden Sozialdemokraten, Enrico Letta. «Von morgen an wird nichts mehr so sein wie davor», sagte Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi von der Splitterpartei Italia Viva. Aussenminister Luigi Di Maio (Insieme per il futuro) befand, man habe die Zukunft der Italiener verzockt. «Die Folgen dieser tragischen Wahl werden in die Geschichte eingehen.»

Lega-Chef Matteo Salvini machte die Mitte-Links-Parteien der Regierung für Draghis Fall verantwortlich: «Draghi und Italien sind zu Opfern des seit Tagen andauernden Wahnsinns der Fünf Sterne und den Machtspielchen der PD geworden.» Erfreut zeigte sich die Chefin der rechtsextremen Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni. «Wenn alles gut geht, dann wird binnen zwei Monaten gewählt werden können, wir sind bereit», sagte die Politikerin der in Umfragen aktuell vorne liegenden Partei in Rom.

Mehrere Optionen möglich

Nimmt Präsident Mattarella ein mögliches weiteres Rücktrittsgesuch Draghis diesmal an, könnte er danach jemanden suchen, der eine neue Regierungsmehrheit bildet, oder die beiden Kammern auflösen, was eine vorgezogene Wahl nach sich ziehen würde. Sollte es zu eine Neuwahl kommen, wäre diese wohl entweder Ende September oder Anfang Oktober. Bis eine Regierung steht, könnten dann noch weitere Wochen vergehen.

Italien wäre in der Zwischenzeit politisch kaum handlungsfähig, obwohl es eigentlich wichtige Reformen umsetzen muss, um sich milliardenschwere EU-Hilfsgelder zu sichern. Auch auf das Ansehen und die Stabilität des hoch verschuldeten Mittelmeerlandes könnte ein Wahlkampf negative Folgen haben, wenn etwa Investoren wegen der Unsicherheiten abgeschreckt werden. Im Moment könnte es nach Umfragen für eine Mitte-Rechts-Regierung mit den EU-abgeneigten Fratelli d'Italia reichen. Für Brüssel wäre das ein schlechtes Zeichen. (SDA)

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