Gleich dreimal hat in Mittelitalien seit dem 24. August die Erde gebebt. Es gab gegen 300 Tote. Nach dem jüngsten Beben mit einer Stärke von 6,5 am Sonntagmorgen sind rund 100’000 Menschen obdachlos. Und das kurz bevor der Winter kommt.
Ganze Städte sind zerstört. Der 5000-Einwohner-Gemeinde Norcia, dem Epizentrum des Bebens am Sonntag, droht das Aussterben. Der ganze Stadtkern ist wegen Einsturzgefahr abgeriegelt.
Die italienische Regierung verspricht: Wir werden die Orte möglichst schnell wieder aufbauen. Das sind gute Nachrichten, die auch die Mafia freuen. Denn sie versteht es immer wieder, aus der Not der Menschen zu profitieren: Das Geld fliesst rasch, und die Kontrollen sind lasch. Bauausschreibungen lassen sich leicht manipulieren, um Aufträge hereinzuholen.
Mafia-Familien zogen um
Giuseppe Pisanu sagte 2010 als damaliger Chef der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission in der «Süddeutschen Zeitung»: «Nach dem Erdbeben 1996 in Umbrien zogen ganze Ndrangheta-Familien dorthin, um sich am Aufbau zu beteiligen.»
Noch schlimmer war es nach dem Beben von 1980 bei Neapel mit 3000 Toten. Ein grosser Teil des vielen Geldes kam gar nie bei den Opfern an, weil es Comorra-Clans, korrupte Lokalpolitiker und unehrenhafte Unternehmer abzweigten. Noch heute hausen Tausende Menschen in Notunterkünften.
Beim grossen Beben, das 2009 die Stadt L’Aquila zerstörte und 309 Tote forderte, lief es wieder ähnlich. Aus einer Milliarde Euro wurden zwar provisorische Wohnungen gebaut. Doch für das viele Geld waren sie von bescheidener Qualität. Auf seiner Homepage pries ein Bauherr die Häuser als modern und erdbebensicher an. In Wahrheit widerstehen die Bauten laut italienischen Medien nicht einmal dem Regen.
Wegen Verdachts auf schweren Betrug wurden im Fall von L’Aquila 37 Personen festgenommen. Darunter befinden sich der Unternehmer, Ingenieure, Architekten und auch Baukontrolleure.
Mafia-Jäger aufgeboten
Am Montag beriet der italienische Regierungschef Matteo Renzi im Kabinett über Massnahmen für die Erdbebenopfer in Mittelitalien. Um sicherzustellen, dass das Geld auch ankommt, forderte Renzi die unabhängige Antikorruptionsagentur Anac auf, sämtliche Zahlungen und Bauarbeiten zu kontrollieren.
Zu hoffen ist nur, dass nicht auch die Anac selber von Mafia-Mitgliedern unterwandert ist. (gf)