Leichtsinn. Gleichgültigkeit. Dummheit. Für die Bergführer im Aostatal sind das die Hauptgründe für den verheerenden Crash zwischen einem Ultraleichtflugzeug und einem Helikopter vor fünf Tagen am Rutor-Gletscher. Sieben Menschen kamen ums Leben, zwei wurden schwer verletzt, darunter auch eine Schweizerin (BLICK berichtete). Eine Katastrophe, die hätte vermieden werden können, so Guido Azzalea. Das Übel seien Flugstunden wie jene am 25. Januar, erzählt der Präsident der Bergführer von La Thuile (I) «Aostaoggi».
Am Freitagnachmittag startet eine SAN Jodel D.140 vom französischen Flugplatz Megève. Auf dem Lehrprogramm steht eine Gletscherlandung in 3000 Meter Höhe. Vielleicht ist die Landung auch eine spontane Idee des Fluglehrers. Dem Kontrollturm des regionalen Flugplatzes Saint-Christophe jedenfalls liegt kein Flugplan von Philippe M.* (64) vor.
Die Gletscher-Landung wurde dem Kontrollturm nicht gemeldet
Der Fluglehrer setzt sich in die hintere Reihe des kleinen Fliegers und lässt die beiden Schüler ans Steuer. Es sind ein Franzose (59) und ein Belgier (51). Ihr Ziel ist der Ruton-Gletscher im italienischen Grenzgebiet. Kurz vor 16 Uhr steigt genau dort ein Hubschrauber für Heliski auf.
Die Piloten Maurizio S.* (53) und Frank H. * (49) haben eine Gruppe deutscher Wintersportler an Bord. Sie können nicht ausweichen. Das Drama nimmt seinen Lauf. Das Ultraleichtflugzeug und der Hubschrauber krachen zusammen. Die Bilanz: sieben Tote und zwei Schwerverletzte, darunter der französische Fluglehrer.
«Wir hatten grad zur Landung angesetzt, als plötzlich der Helikopter vor uns auftaucht», erzählt dieser der Guardia di Finanza von Entreves (I) vom Spitalbett aus, «wir haben den Heli nicht gesehen.» Gegen den Piloten ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung. Nach dem Spitalaufenthalt muss Philippe M. in italienische U-Haft.
Immer wieder drohten Crashs am Gletscher
Kein Einzelfall in der Mont-Blanc-Region. «Wir hatten schon Dutzende brenzlige Situationen, wo Helis mit den Kleinflugzeugen zu kollidieren drohten», sagt Guido Azzalea, «französische Flugzeuge von Megève, die dann auf dem Rutor landen – ohne die italienischen Behörden zu informieren. Wir haben schon so oft Anzeige erstattet. Es hat nichts geholfen. Niemand hat Vorkehrungen getroffen.»
Auch Bergführer Andrea Perrod warnt: «In dieser Zeit haben wir andauernd französische Flugzeuge am Gletscher. Sie kreisen, landen, heben wieder ab – bis zu dreimal am Tag. Für diese Piloten ist es eine Übung. Für uns, die wir Heliski betreiben, ist es einfach nur gefährlich.»
Paolo Cognetti schüttelt nur noch den Kopf. «Bei schönem Wetter geht es in den Bergen zu wie auf der Autobahn. Viel zu viel Verkehr in der Luft», sagt der italienische Buchautor und Bergsteiger dem «Quotidiano», «das Flugchaos war schuld an diesem Unglück.»
* Namen geändert