Es sind elf Zeilen. In Grossbuchstaben in den Computer getippt und im A4-Format ausgedruckt. Dann hinter die Scheibenwischer von Autos mit Schweizer Kennzeichen geklemmt. Die Worte spiegeln den Groll der Italiener wider.
Tatort ist der Parkplatz vor dem Einkaufszentrum Bennet in Tavernola, einem Stadtteil von Como. Der Supermarkt ist beliebtes Einkaufsziel vieler Tessiner. Superpreiswert. Und nahe der Grenze. Das wurmt so manchen Einheimischen.
«Es macht euch Spass, bei uns einzukaufen, weil hier alles so schön billig ist?», fragen die anonymen Autoren. Und schreiben: «Also wenn ihr nicht wollt, dass wir bei euch arbeiten, wie euer letztes Referendum zeigt, dann geht bitte zu Hause einkaufen. Supermärkte gibt es auch in der Schweiz.»
Dann folgt die Drohung: «Wenn wir euch das nächste Mal beim Einkaufen in Italien sehen, zerstechen wir euch die Reifen und mehr.»
Einen Tessiner ärgert der Drohbrief. Er informiert die Zeitung «Corriere del Ticino». Weitere Tessiner Medien greifen den Fall auf. Der Krieg im Grenzgebiet kocht hoch.
Rund 65 000 Italiener fahren täglich in den Südkanton, um dort zu arbeiten. Sie nähmen den Schweizern die Jobs weg, findet die SVP und lancierte die Initiative Prima i nostri («Erst die Unsrigen»). Am 25. September wurde sie mit 58 Prozent an der Urne angenommen.
Seitdem hagelt es Proteste. In der italienischen Presse. In der Politik. Und natürlich auch im Internet. «Lasst diese tollen Schweizer eine Woche allein. Dann werden wir sehen, wer die Jobs der 65 000 Grenzgänger macht», heisst es in den sozialen Netzwerken. «Die gefährlichsten Arbeiten dürfen wir machen. Diejenigen, die bei Arbeitsunfällen ums Leben kommen, sind immer nur Italiener», twittert ein anderer. Und: «Die meisten Tessiner von heute sind Söhne der Italiener von gestern.»