Italien sperrt KI-Anwendung – Experte ordnet ein
Ist das der Anfang vom Ende von ChatGPT?

Italien blockiert die Nutzung des beliebten Chatbots ChatGPT und gibt dem Entwickler OpenAI 20 Tage Zeit, um zu reagieren. Was ist passiert? Und was bedeutet das?
Publiziert: 31.03.2023 um 18:26 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2023 um 19:32 Uhr
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Italien hat die Nutzung des beliebten Chatbots ChatGPT blockiert ...
Foto: AFP
Michelle Isler

Italien sperrt den Chatbot ChatGPT aus Datenschutzgründen. Ist das der Anfang vom Ende dieser Technologie? Blick hat den KI-Experten Kevin Schawinski (41) gefragt. Der studierte Astrophysiker ist Co-Gründer und CEO von «Modulos», einem ETH-Spin-off, das sich für «Responsible AI» in der Softwarebranche einsetzt.

Blick: Herr Schawinski, ChatGPT wurde in Italien blockiert. Weshalb?
Kevin Schawinski: Es ist nicht ganz klar, auf welcher rechtlichen Grundlage Italien ChatGPT gesperrt hat, aber es sieht so aus, als würden sich unsere Nachbarn dabei auf das grosse europäische Datenschutzgesetz GDPR beziehen. Es macht Auflagen, wie Firmen persönliche Daten nutzen dürfen. Sie sehen die Anwendung dieses Gesetzes täglich, wenn Sie in Ihrem Browser Cookies akzeptieren oder ablehnen.

Geht es darum, ob der Chatbot gefährlich ist?
Nein. Diese Diskussionen gibt es zwar, aber hier geht es eher um Fragen von Konsumenten- und Datenschutz. Wie sammelt ChatGPT unsere Daten? Wie speichert es sie? Wer hat dazu Zugang?

Sie sprechen von Regulierung?
Ja. Was ich dabei besonders interessant finde: Die Italiener wenden jetzt ein Datenschutzgesetz an, das es seit Jahren gibt. Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie man KI speziell regulieren will.

Das GDPR ist ja ein europäisches Datenschutzgesetz. Das heisst, andere Länder müssten nachziehen, wenn ChatGPT dieses Gesetz verletzt?
Ja, das könnte auf jeden Fall einen Signaleffekt haben. Welche Länder jetzt wie schnell nachziehen werden, wird sich zeigen.

Welche Auswirkungen wird das auf die Schweiz haben?
Die Schweiz gehört zwar nicht zur EU, aber sie musste sich auch an das europäische Datenschutzgesetz anpassen – genau wie die Amerikaner übrigens auch. Wenn nun EU-Länder beginnen, KI zu regulieren, wird die Schweiz mitziehen müssen.

Was raten Sie Nutzern von ChatGPT jetzt?
Es gab ja Datenmissbrauch bei OpenAI, also bei den Betreibern von ChatGPT. Sie haben nicht gross kommuniziert, was da genau passiert ist. Aber ich wäre generell sehr vorsichtig mit persönlichen Daten, die man in das System einspeist.

Sie meinen, ich sollte ChatGPT nicht bitten, etwas über meine Familie zu schreiben und alle Personendaten eingeben?
Zum Beispiel. Man muss wissen, dass alles, was man bei diesem Chatbot eingibt, gesammelt wird. Und potenziell werden diese Daten benutzt, um künftige KI-Generationen zu trainieren.

Gibt es noch andere Vorsichtsmassnahmen für Nutzer?
Man muss einfach wissen, dass diese KI nicht immer die richtige Antwort gibt. Es kann nicht zwischen Fakt und Fiktion unterscheiden. Wenn ich sie bitte, zu einem Thema zu recherchieren und mir dazu Quellen rauszusuchen, kann es sein, dass sie Quellen erfindet.

Ist das jetzt der Anfang vom Ende von ChatGPT?
Das halte ich nicht für wahrscheinlich. Es könnte sein, dass OpenAI nach dieser Blockierung einige Sachen an ChatGPT anpasst, sodass die europäischen Gesetze eingehalten werden. Da wird dann hin und her verhandelt. Aber die Technologie wird deshalb sicher nicht verschwinden. Es ist vielmehr ein Anfang einer Diskussion mit der EU mit dem Tenor: Ja, aber bitte nach unseren Regeln, nach europäischen Regeln.

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