Grosser Forscher-Zoff um Trumps angebliches Wundermittel Hydroxychloroquin: Eine bereits veröffentlichte Studie, welche die Wirkung des Malaria-Medikaments gegen Covid-19 untersuchen sollte, haben drei von vier Forschern eines Wissenschaftsteams wieder zurückgezogen. Einer von ihnen: Frank Ruschitzka (58), Leiter Kardiologie am Herzzentrum der Universität Zürich.
Die Studie kam zum Schluss, dass Hydroxychloroquin bei Patienten zu einer höheren Sterblichkeit führe, statt zu mehr Heilungen. Doch inzwischen zweifeln Forscher daran, dass die Basisdaten von weltweit über 96'000 Corona-Patienten, auf die sich ihre Studie stützt, korrekt sind. So wurden offenbar Teile der Daten vertauscht. Wie die englische Zeitung «The Guardian» berichtet, seien zum Beispiel australische mit asiatischen Patienten verwechselt worden.
Auch wird bezweifelt, dass in Afrika so viele Spitäler über digitale Krankenakten verfügten, wie in der Studie angegeben. Brisant: Geliefert wurden diese Daten von Sapan Desai (41), dem vierten Forscher im Bunde. Er ist Chef der US-Daten-Firma Surgisphere in Chicago, die nun unter Beschuss gerät.
Keine Kontrolle möglich
Der Versuch, die Daten nachträglich auf ihre Korrektheit zu überprüfen, stiess ins Leere. Studienleiter Mandeep R. Mehra (53), Professor an der Harvard Medical School und medizinischer Direktor am Brigham Heart and Vascular Center in Boston, erklärte am Donnerstag: «Unsere Gutachter haben uns mitgeteilt, dass Surgisphere aus Gründen der Vertraulichkeit nicht den vollständigen Datensatz auf den Server laden würde. Daher konnten unsere Gutachter keine unabhängige Prüfung durchführen.»
Die Studie sei darauf zurückgezogen worden, weil sein Team nicht mehr für die Richtigkeit der primären Datenquellen bürgen konnte.
Daten-Firma in der Kritik
Der Guardian geht mit Surgisphere hart ins Gericht: Zum kleinen Team gehörten unter anderem ein Science-Fiction-Autor sowie ein Erotik-Model. Weder Vorgehen bei der Erhebung der Daten noch die Daten selber könnten angemessen erklärt werden.
Der angeschuldigte Sapan Desai wehrt sich und redet von Diskreditierung durch seine Kollegen: «Es gibt ein grundlegendes Missverständnis darüber, was unser System ist und wie es funktioniert.»
Die Studie war am 22. Mai in der renommierten britischen Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlicht worden. Herausgeber Richard Horton (58) ist entsetzt: «Dies ist ein schockierendes Beispiel für Fehlverhalten in der Forschung inmitten einer globalen Gesundheitskrise.»
Zürcher Arzt distanziert sich
Frank Ruschitzka ist laut Auskunft der Medienstelle des Universitätsspitals Zürich erst in der Auswertungsphase von der Harvard Medial School für das Mitverfassen des Papers beigezogen worden. «An der Bereitstellung der Daten durch die Firma Surgisphere beziehungsweise an der Evaluation der Datenerhebung war die Klinik nicht beteiligt», heisst es auf Anfrage.
Zweifel über die Daten seien in den ersten Tagen nach der Publikation aufgekommen, als Vorbehalte geäussert worden seien. Die Medienstelle des Uni-Spitals hält fest: «Es gab zuvor für Professor Ruschitzka wenig Anlass, die Erhebung der Daten zu hinterfragen, weil dieselbe Datenquelle zuvor für eine andere Studie verwendet worden war, die im renommierten New England Journal of Medicine publiziert worden ist.»
Weitere Studie wird überprüft
Wie auf der Homepage des New England Journal of Medicine zu lesen ist, wird nun auch diese Studie, die ebenfalls die medikamentöse Bekämpfung von Covid-19 untersucht, hinterfragt. Der Verlag fordert die Verfasser auf, die Daten zu überprüfen.
Der Schweizer Forscher Ruschitzka wird weiterhin mit der Harvard Medical School Forschungen betreiben. Eine Zusammenarbeit mit Surgisphere aber schliesst er aus. Die Medienstelle: «Professor Ruschitzka distanziert sich klar von der Firma.»
WHO nimmt Tests wieder auf
Weil die Studie auf eine erhöhte Corona-Todesrate bei der Verwendung von Hydroxychloroquin hinwies, haben die WHO und 35 Länder Tests mit dem Medikament unterbrochen. Inzwischen werden sie wieder weiter geführt. Generell wird untersucht, ob verschiedene schon vorhandene Medikamente etwa gegen Malaria, HIV, Ebola und Multiple Sklerose einen Effekt gegen Covid-19 haben.
US-Präsident Donald Trump (73) hatte Hydroxychloroquin wiederholt als Wundermittel gepriesen. Zuletzt sorgte er für Aufregung mit der Aussage, er nehme das Medikament prophylaktisch ein, um sich vor dem Virus zu schützen.