In Israel stoppten um 10.00 Uhr landesweit Autos, die Insassen stiegen aus und standen zwei Minuten lang mit gesenkten Köpfen auf den Strassen. Radio und Fernsehen sendeten zum Holocaust-Gedenktag ausschliesslich Dokumentationen und Filme zum Völkermord an den Juden sowie ernste Musik.
Der Gedenktag fällt auf den 27. Tag des Monats Nisan nach dem jüdischen Kalender - und damit auf wechselnde Daten nach dem gregorianischen Kalender.
Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel traf am Montag zu einem zweitägigen Besuch in Israel ein. Er hob zum Auftakt seines Besuchs «unmissverständlich die historische Verantwortung Deutschlands für den Holocaust» hervor.
«Still stehe ich heute hier in Israel vor dem bodenlosen Abgrund des Zivilisationsbruchs der Shoah, der kaum zu fassen ist - und vor dem Land, das uns Deutschen dennoch die Hand gereicht hat», erklärte er.
Gabriel gedachte der «sechs Millionen Juden, die von den Nationalsozialisten in einem beispiellosen Menschheitsverbrechen ermordet worden sind». Deutschlands historische Verantwortung dafür sei «uns Heutigen Mahnung und Verpflichtung - einzutreten gegen Antisemitismus und für die Menschenwürde, für Toleranz und die Verständigung zwischen den Völkern».
Auf Gabriels Programm standen ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem sowie ein Gespräch mit Benjamin Netanjahu, der zugleich Israels Regierungschef und Aussenminister ist. Ausserdem wollte Gabriel am Dienstag in Ramallah mit Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde sprechen.
Netanjahu hatte am Sonntagabend in Yad Vashem gesagt, als einstiges «Volk ohne Verteidigung» hätten die Juden nach der Gründung Israels «einen der Staaten mit der höchsten Verteidigungsfähigkeit» geschaffen. «Wir haben das mit dem Holocaust bis ins Knochenmark gelernt - und es ist uns immer gegenwärtig», fügte Netanjahu hinzu.
Israel wurde 1948 gegründet. Heute leben in Israel noch mehr als 213'000 Menschen, die der Ermordung der Juden durch die Nationalsozialisten entkamen. Sechs der Überlebenden entzündeten bei der Gedenkfeier in Yad Vashem Kerzen zum Gedenken an die Holocaust-Opfer.
In Polen erinnerten am Montag rund 10'000 junge Menschen aus aller Welt mit dem «Marsch der Lebenden» an die sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocausts. Sie gingen von Auschwitz nach Birkenau, dem grössten der deutschen Vernichtungslager.
Die österreichische Bildungsministerin Sonja Hammerschmid initiierte zu diesem Anlass eine Beratung mit Amtskollegen aus Europa und Israel zur Zukunft der Holocaust-Erziehung. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie das Gedenken an den Holocaust fortgesetzt werden soll, wenn es keine überlebenden Zeitzeugen mehr gibt.
Mehr als 250'000 Menschen haben seit 1988 am «Marsch der Lebenden» teilgenommen. «Dies ist ein mächtiges Zeichen», sagte Hammerschmid bei der Eröffnungsveranstaltung am Sonntagabend in Krakau.
Der Holocaust habe «auf grausamste Weise den Verlust der Menschlichkeit gezeigt» und stelle einen kompletten Zivilisationsbruch dar. Lehren aus der Geschichte zu ziehen bedeute, «die Wurzeln der Intoleranz und des Hasses aufzudecken und die Frage zu stellen, wie wir entschieden Widerstand leisten können», sagte Hammerschmid.