Frankreich steht unter Schock. Islamistische Terroristen haben das Land gestern mitten ins Herz getroffen. Ihr barbarischer Akt ist ein Verbrechen gegen die Freiheit in der westlichen Welt.
Zwölf Menschen starben: acht Journalisten und Zeichner des Satire-Magazins «Charlie Hebdo», ein Besucher, ein Portier, zwei Polizisten. Elf weitere wurden beim blutigsten Anschlag in Frankreich seit vier Jahrzehnten verletzt, vier schweben in Lebensgefahr. Die Täter kamen kurz vor 11.30 Uhr, während der Wochensitzung der Redaktion im 11. Arrondissement. Eine Mitarbeiterin öffnete den Mördern die Tür: die Zeichnerin Corinne Rey (32) alias Coco, die auch für die Westschweizer Zeitschrift «Vigousse» arbeitet.
Gegenüber «L’Humanité» sagte sie: «Ich wollte meine Tochter vom Hort abholen. Als ich vor die Haustür trat, bedrohten mich zwei vermummte und bewaffnete Männer brutal. Sie wollten in das Gebäude. Ich habe den Code eingegeben. Sie haben auf Wolinski und Cabut geschossen. Es dauerte fünf Minuten. Ich habe mich unter den Schreibtisch geflüchtet. Die Männer sprachen perfekt Französisch. Sie sagten, sie seien von Al Kaida.»
Laut französischen Medien hat die Polizei die Täter identifiziert: Hamid Mourad (18), Chérif Kouachi (32) und Saïd Kouachi (34). Die älteren beiden seien Brüder – und Franzosen. Sie wurden im 10. Arrondissement von Paris geboren. Der 18-Jährige hat keinen festen Wohnsitz. Die Täter waren mit Kalaschnikows ausgerüstet und schrien «Allah ist gross» und «Wir haben den Propheten gerächt».
Wer konnte, flüchtete aufs Dach. Ein Zeuge: «Wir haben viele enorm laute Schüsse gehört. Es dauerte eine Ewigkeit, bis die Männer in ein Auto stiegen.» Auf ihrer Flucht Richtung Norden rammten sie einen Polizisten, der verletzt auf dem Boden liegen blieb. Das genügte den Terroristen nicht: Sie stiegen aus und erschossen den Mann kaltblütig. Mehrmals wechselten die Verbrecher ihr Fluchtauto. Bis Redaktionsschluss waren sie noch immer flüchtig.
Die Fahnen in Frankreich stehen auf halbmast. In vielen Städten gingen gestern Abend Menschen spontan auf die Strasse. Auch in der Schweiz. Die Welt teilt das Leid Frankreichs und verurteilt den Anschlag. So sagte der britische Premier David Cameron: «Die Morde in Paris sind ekelerregend.» US-Präsident Barack Obama will den französischen Behörden «jede benötigte Unterstützung» zukommen lassen, um die Verantwortlichen für die «abscheuliche Attacke» zur Rechenschaft zu ziehen.
Auch islamische Länder wie Ägypten und Saudi-Arabien sprachen von einem «feigen Terrorakt». Die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sagte: «Die Schweiz verurteilt das Attentat in Paris aufs Schärfste und spricht Frankreich ihr Beileid aus.»
Präsident François Hollande kündigte Härte gegen die Täter an: «Wir werden die Angreifer so lange jagen wie nötig und sie bestrafen.»
Die Regierung rief für Paris die höchste Terror-Warnstufe aus. Für Mediengebäude, grosse Warenhäuser, Kirchen und den öffentlichen Nahverkehr wurde der Schutz verstärkt. Bertrand Mouscardès, Sportlehrer an der International School of Paris, sagte
zu BLICK: «An den Pariser Schulen wurden alle Ausflüge der nächsten Tage abgesagt. Auch Sportunterricht darf nicht im Freien stattfinden.»
Islamkritische Medienschaffende wurden wiederholt Ziel von Drohungen und Anschlägen. Auch in der Schweiz: Der Satiriker Andreas Thiel holte Ende November in der «Weltwoche» zu einem Rundumschlag gegen den Koran aus und wurde darauf mit Morddrohungen eingedeckt. Das Redaktionsgebäude der «Weltwoche» in Zürich musste von Sicherheitsleuten bewacht werden, und Hacker legten vorübergehend die Internet-Seite der Zeitschrift lahm.