Ein Verhör scheint nicht möglich. Immer wieder haben die italienischen Behörden versucht, Günther S.* (31) zu seiner Amokfahrt am vergangenen Samstag zu befragen. Jedes Mal musste das Treffen mit der Untersuchungsrichterin abgebrochen werden. Der Schweizer war nicht in der Lage, auf Fragen zu antworten, zeigte sich aggressiv. Am Dienstag eskaliert die Situation im Gefängnis von Verbania.
Der Thurgauer Neonazi greift fünf Vollzugsbeamte an, verletzt sie derart, dass sie im Spital behandelt werden müssen, wie «La Stampa» berichtet. Der Mann habe Kampferfahrung, so die Vermutung der Ermittler. S. wurde noch am selben Tag in ein Gefängnis nach Turin überwiesen, das über eine psychiatrische Abteilung verfügt.
Warum der Thurgauer Neonazi während seines Wochenendausflugs an den Lago Maggiore ausrastete, konnte bislang nicht geklärt werden. Günther S. war am frühen Abend des 8. Oktober über die Grenze von Brissago TI nach Italien eingereist. In der Nähe von Arona begann kurz nach 18 Uhr seine Amokfahrt. Er rammte mehrfach Autos an der Seeuferstrasse, beschädigte 15 Fahrzeuge und verletzte vier ihrer Halter.
«Ich sagte, er solle die Waffe fallen lassen»
An einer Tankstelle bei Meina sprang er mit nacktem Oberkörper aus seinem schwarzen VW und zielte wahllos mit einem Karabiner und aufgestecktem Bajonett auf Passanten und heranfahrende Autos. Schliesslich stieg er wieder in den Golf und fuhr in Richtung Schweizer Grenze – bis er bei Belgirate die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und es gegen eine Leitplanke setzte.
Als die Carabinieri eintrafen, wurde die Situation brenzlig. Ein Beamter erinnert sich im Interview mit «La Stampa». «Er war auf der Strasse, mit dem Gewehr in der Hand. Ich habe mich auf sieben Meter genähert. Er blieb regungslos, starrte mir in die Augen. Ich sagte, er solle die Waffe fallen lassen», erzählt Salvatore Moscato (34), «dann sah ich den Kindersitz, der aus dem Auto geschleudert worden war.»
Vollgepumpt mit Kokain
Das muss auch Günther S. plötzlich bemerkt haben. Jedenfalls legte er das Gewehr auf den Boden, fiel auf die Knie und liess sich festnehmen. «Ein Projektil lag neben dem Gewehr, andere waren auf der Strasse verteilt, einige steckten in seinen Hosentaschen», erinnert sich der Carabiniere. Im Golf stellten die Beamten weitere Munition und ein Banner mit Reichsadler und Hakenkreuz sicher. Zudem hatte Günther S. vier gestohlene Nummernschilder mit Schweizer Kennzeichen dabei.
Günther S. wurde Blut abgenommen. Die Untersuchung ergab: Der Schweizer war vollgepumpt mit Kokain. Lösten die Drogen eine Psychose aus? Auch Tage nach der Amokfahrt konnte der Neonazi nicht beruhigt werden. Jetzt ist er vorerst einmal in psychiatrischer Behandlung.
* Name geändert