«Es ist eine Tat wie aus einem Agentenfilm», sagt Rudi Cerne (63), Moderator der ZDF-Kriminalshow «Aktenzeichen XY», in der Sendung vom Mittwoch, als er diesen irren Fall vorstellt. Christoph Bulwin (†40) wurde im Sommer 2011 getötet.
Nicht etwa mit einem Messer oder einer Pistole, sondern mit einem schwarzen Gift-Regenschirm. An der Spitze hatte der Täter eine Spritze mit Quecksilber montiert. Ganz beiläufig, wie aus Versehen, berührte der Schirm-Killer sein Opfer und injizierte ihm das flüssige Metall.
10 Monate später war Bulwin tot. Warum der Familienvater in das Blickfeld des Killers geriet, kann sich die Polizei bis heute nicht erklären.
«Irgendetwas in meinem Körper vergiftet mich»
Wie gewöhnlich pendelt Christoph Bulwin am 15. Juli 2011 nach Hannover. Dort arbeitet er als Software-Ingenieur bei einer Gewerkschaft für Bergbau, Chemie und Energie. Gegen 15.55 Uhr verlässt er sein Büro. Er wird von einem jungen Mann verfolgt: hagere Figur, pockennarbiges Gesicht.
Als der Unbekannte sein Opfer überholt, verspürt Bulwin plötzlich einen schmerzhaften Stich in seiner linken Gesässhälfte. Er spricht den Täter an und sieht eine kleine Spritzennadel aus dem Regenschirm des jungen Mannes hervorschauen. Als er diese herausziehen will, ergreift der Täter die Flucht.
Bulwin ist alarmiert und ruft den Notarzt. Im Spital wird er untersucht. Der 40-Jährige glaubt anfangs, er sei böswillig mit HIV infiziert worden. Doch die Untersuchungen bringen keine Klarheit.
Zwei Monate nach dem Anschlag fällt er ins Koma
Eine Woche nach dem Stich verschlechtert sich sein Zustand dramatisch: Er leidet an juckendem Hautausschlag und starken Kopfschmerzen. Seine Haut beginnt sich zu schälen und sein Gesicht entstellt sich. Im Spital stellen Ärzte erhöhte Entzündungswerte fest. «Irgendetwas in meinem Körper vergiftet mich», so Bulwin. Zwei Monate später fällt er ins Koma.
Schliesslich finden die Ärzte heraus, was die Ursache für Bulwins Leiden ist: eine schwere Quecksilber-Vergiftung. Der Quecksilber-Wert ist 2000-mal höher als er sollte! Sollte er überleben, wäre er ein schwerer Pflegefall. Es gibt kaum Hoffnung für ihn. Und zehn Monate nach dem Anschlag stirbt Bulwin an einem epileptischen Anfall in einem Pflegeheim.
Bis heute sucht die Polizei nach wichtigen Hinweisen, die zur Klärung des Mordes führen könnten. 5000 Euro wurden ausgesetzt. Bis heute ist der Fall ungeklärt.
Die Giftkapsel kam vom KGB
Der Fall erinnert an das Regenschirm-Attentat. 1978 wurde der bulgarische Regierungskritiker und Schriftsteller Georgi Markow (1929–1978) mit einem präparierten Regenschirm eine Kapsel Gift in den Unterschenkel injiziert, während er auf der Waterloo Bridge in London auf den Bus wartete.
In der Kapsel befand sich eine Kleinstmenge des Pflanzengifts Rizin. Das tödliche Eiweiss findet sich in den Samenschalen des Wunderbaums, aus dem auch das völlig ungefährliche Rizinusöl hergestellt wird. Vier Tage nach dem Attentat starb Markow im Spital. Wer ihm das Gift spritzte, ist bis heute ungeklärt.
Der Auftraggeber hingegen ist bekannt: der damalige bulgarische Diktator Todor Schiwkow (1911–1998). Die Giftkapsel zur Verfügung gestellt hatte der damalige sowjetische Auslandsgeheimdienst KGB. (hei)