Anhänger einer islamistischen Terrorzelle sollen Anschlagspläne in Europa gehabt haben. Zielscheibe dieser Angriffe hätten offenbar Kirchen in Madrid, Köln und Wien sein sollen. Sicherheitsbehörden in Österreich, Deutschland und Spanien haben entsprechende Hinweise erhalten. Das berichtet die «Bild».
In Wien und in Deutschland ist es deshalb zu mehreren Festnahmen gekommen. Die Polizei in Wien hat die Terrorwarnstufe erhöht und sprach von einer «erhöhten Gefährdung in Österreich».
IS-Ableger soll dahinter stecken
Nach «Bild»-Informationen soll die Terrorgruppe ISPK (Islamischer Staat Provinz Khorasan), ein Ableger des Netzwerks IS in Afghanistan, hinter den Anschlagsplänen stecken. Wie Politikwissenschaftler und Terrorismusforscher Peter Neumann vom renommieren King’s College in London auf X schreibt, hängt die wachsende Bedrohung des ISPK mit dem schwindenden Einfluss der Gruppe in Afghanistan zusammen. «ISPK kontrolliert nur wenige Dörfer, und die Zahl der Anschläge wird immer geringer.» Und weiter: «Wie häufig der Fall, reagierte die Gruppe auf Erfolglosigkeit im Innern mit einer Strategie der Externalisierung.» Demnach habe sich die Gruppe in den vergangenen Jahren zunehmend auf Ziele etwa in Pakistan, Usbekistan und Tadschikistan fokussiert. Es handele sich ausserdem um die «momentan aktivste Gruppe», schreibt Neumann weiter.
Erst Anfang Jahr warnte der deutsche Verfassungsschutz vor dem ISPK. «Das Erstarken dieser Gruppe in Afghanistan verstärkt die Gefährdungslage in Deutschland», sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, damals. Und auch US-Streitkräfte warnten damals vor möglichen Angriffen auf westliche Ziele ausserhalb Afghanistans.
Schutzmassnahmen bis Silvester
Angesichts von Aufrufen zu terroristischen Angriffen gegen christliche Veranstaltungen in ganz Europa, insbesondere an Heiligabend, haben die Sicherheitsbehörden in Österreich ihre Schutzmassnahmen erhöht. Es werde als Vorsichtsmassnahme in Wien und in den Bundesländern eine verstärkte Überwachung gefährdeter Orte geben, darunter auch Kirchen und Weihnachtsmärkte.
Es werden demnach zivile und uniformierte Einsatzkräfte mit besonderer Ausrüstung und Langwaffen im Einsatz sein. «Die polizeiliche Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf Kirchen und religiöse Veranstaltungen, insbesondere Gottesdienste, und auf Weihnachtsmärkte», erklärte die Polizei weiter.
Es könne dabei je nach Notwendigkeit auch zu Zutrittskontrollen kommen. «Besucherinnen und Besucher von Veranstaltungen und Gottesdiensten werden gebeten, einen Lichtbildausweis mitzunehmen und mehr Zeitaufwand als üblich einzuplanen», hiess es.
Die Terrorwarnstufe in Österreich sei nach wie vor erhöht, erklärte die Polizei weiter. Die zusätzlichen Vorsichtsmassnahmen dienten der Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit in Österreich, hiess es. Die Massnahmen würden bis Silvester aufrecht erhalten.
«Wenn dem Dom etwas passiert, wäre das schlimm»
Die Messen im Kölner Dom an den beiden Weihnachtsfeiertagen weiter unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Wie die Kölner Polizei am Montag mitteilte, werden die Gottesdienste wie geplant abgehalten. «Es bleibt aber bei den Sicherheitsvorkehrungen», sagte eine Sprecherin. Die Kontrollen mit Durchsuchungen der Gottesdienstbesucher an Heiligabend seien gut verlaufen. «Die Lage ist unverändert ruhig.»
Vorsicht sei das Gebot der Stunde, sagte der Innenminister des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (71). Die Terrorgefahr sei so hoch wie lange nicht mehr und christlichen Feiertagsrituale seien ein Ziel von islamistischen Terroristen. «Aber wir sind nicht schutzlos. Unsere Behörden nutzen alle Erkenntnisse, um uns bestmöglich zu schützen. Das zeigen jetzt die Massnahmen in Köln.» Sein Appell: «Gehen Sie in die Kirche, feiern Sie das Weihnachtsfest. Angst ist die Währung von Terroristen. Wir dürfen sie nicht zusätzlich aufwerten.»
Wegen der Kontrollen am Eingang kam es zu langen Warteschlangen vor dem Kölner Dom. Das berichtet der «WDR». Reingelassen wurden nur Besucher des Gottesdienstes. Touristen durften den Dom nicht betreten.
Die derzeitige Lage bedrückt viele Menschen. «Wenn dem Dom etwas passiert, wäre das schlimm», sagt eine Frau zum «WDR». «Es geht mir ans Herz.» Trotz der unklaren Lage besuchten zahlreiche Menschen den Weihnachtsgottesdienst im Kölner Dom. Kardinal Rainer Maria Woelki bedankte sich bei ihnen dafür, dass sie sich «nicht erschrecken lassen.»
Weiterhin erhöhte Terrorbedrohung in der Schweiz
Dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sind am Sonntag keine Hinweise auf konkrete geplante Anschläge in der Schweiz vorgelegen. Die Terrorbedrohung in der Schweiz sei aber nach wie vor erhöht, wie der NDB auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bekanntgab.
Für die Schweiz habe sich die Beurteilung der Terrorbedrohung nicht geändert, so der NDB am Sonntag. Die Schweiz gehöre zur westlichen, von Dschihadisten und Dschihadistinnen als islamfeindlich eingestuften Welt und stelle damit aus deren Sicht ein legitimes Ziel für Terroranschläge dar. Zu konkret betroffenen Kantonen, Regionen oder Städten in der Schweiz äusserte sich der NDB nicht. Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, wurde jedoch im vergangenen Jahr ein IS-Sympathisant in der Schweiz verhaftet.
Nach Beurteilung des NDB sind aber andere Staaten exponierter als die Schweiz, insbesondere solche, die sich militärisch an internationalen Koalitionen gegen den «Islamischen Staat» beteiligen oder von dschihadistisch inspirierten Personen als besonders islamfeindlich wahrgenommen werden.
Das plausibelste Terrorszenario für die Schweiz sei derzeit ein dschihadistischer Gewaltakt, der von einer dschihadistisch inspirierten einzelnen Person verübt wird. Nach Einschätzung des NDB würde sich dieser Angriff gegen schwach geschützte Ziele wie beispielsweise Menschenansammlungen richten und geringe logistische und organisatorische Mittel erfordern.
Frankreich sichert Kirchen für Weihnachten besonders
Für Weihnachten will Frankreich Kirchen besonders bewachen. Polizisten und Gendarmen sollten sichtbar vor religiösen Orten im Einsatz sein, um Christen bei Weihnachtsfeierlichkeiten am Sonntagabend und am Montagmorgen zu schützen, schrieb Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin auf der Online-Plattform X (früher Twitter). Darmanin hatte die Präfekten zuvor dazu aufgerufen, über die Feiertage weiterhin sehr wachsam zu sein.
Seit dem tödlichen Angriff auf einen Lehrer durch einen Islamisten im Oktober gilt in Frankreich die höchste Terrorwarnstufe. Erst am Freitag waren bei einem Anti-Terror-Einsatz im Osten des Landes fünf Menschen festgenommen worden.
(SDA/dzc/ter)