In Damaskus floriert das Nachtleben
Eine Bar mitten im Krieg

Seit 2011 tobt in Syrien ein erbitterter Konflikt und bisher ist kein Ende in Sicht. Während Millionen Menschen flüchten und der Tourismus brach liegt, wagt ein syrischer Entrepreneur ein Experiment: Somar Hazim eröffnet eine Bar. Mitten im Krieg.
Publiziert: 29.08.2018 um 21:11 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2019 um 15:20 Uhr
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Das Wiederaufblühen des Nachtlebens in der krisengebeutelten Stadt ist vor allem auf den syrischen Entrepreneur Somar Hazim zurückzuführen. Er eröffnete mitten im Krieg eine Bar in der Altstadt von Damaskus.
Foto: Facebook
Valérie Glutz

Was 2011 mit einem Aufstand gegen den autokratischen Herrscher Bashar al-Assad begonnen hat, ist sieben Jahre später ein verworrener Konflikt, der als Stellvertreterkrieg von Grossmächten dient. Die aktuelle Lage in Syrien ist unübersichtlich. Vielerorts finden immer noch aktive Kämpfe zwischen syrischen Regierungstruppen und Rebellen statt. Aber auch russische und türkische Militärmächte intervenieren mit Angriffen, um ihre Interessen zu vertreten.

Nachtleben als Symbol der Hoffnung

Dennoch gibt es inmitten der andauernden blutigen Auseinandersetzung einen Lichtschimmer: Denn während Millionen Syrier aus ihrer Heimat in die umliegenden Nachbarländer fliehen, harren andere aus und versuchen trotz Krieg eine Existenz aufzubauen – und zwar im Nachtleben.

In den letzten Jahren hat sich in Damaskus, einem der Hauptkampfschauplätze des Konflikts, ein reges Nachtleben entwickelt. Einer der Initianten dieser Bar-Bewegung ist Somar Hakim. Der Syrer war wegen des Konflikts gezwungen, sein Boutiquehotel in Damaskus zu schliessen. Vier Jahre später entschloss er sich, trotz Bürgerkrieg einen Neubeginn zu wagen und eröffnete 2015 in der Altstadt von Damaskus eine Bar.

Hakim gibt gegenüber «Radio 1 Newsbeat» zu, dass der Zeitpunkt für eine Bar-Eröffnung ein grosses Risiko war. Viele seiner Freunde hätten ihn davor gewarnt. Sein Wagnis zahlte sich jedoch aus: «Alle kamen, um diesen Ort und diese Leute zu sehen, die eine Bar inmitten des Krieges eröffneten», erzählt der Barbesitzer. «Es war jetzt möglich, zwischen Granatenfeuer und -angriffen an einen Ort zu gehen und einen Drink zu geniessen. Ich denke, dieser Gedanke war für viele Leute sehr verlockend.»

Hakim hat bereits mehrere Bars eröffnet

Hakims Rechnung geht auf: Seine Bar Cosette läuft wie geschmiert und bald finden sich etliche Nachahmer. 

Innert kurzer Zeit hat sich das Angebot an Bars rasant vergrössert. Waren es zu Beginn gerade mal einige wenige Bars, finden sich mittlerweile innert einer Strasse bis zu 30 ähnliche Plätze. Hakim führt das Aufblühen des Nachtlebens unter anderem auch auf die relative Stabilität in der Region zurück. Zu Beginn des Sommers hat die syrische Regierung mit Unterstützung russischer Truppen die letzten Rebellen aus Damaskus vertrieben. Seither schein ein wenig Ruhe eingekehrt zu sein. Die Bewohner wenden sich wieder vermehrt alltäglichen Problemen zu und eben auch Vergnügungen wie einem gemeinsamen Drink. Auch Hakim selber hat bereits mehrere Bars eröffnet und zeigt sich begeistert über die Entwicklungen in Damaskus.

Er blickt optimistisch in die Zukunft: «Damaskus ist nicht mehr das, was es vor Ausbruch des Kriegs war, aber es entwickelt sich eine neue Stadt.» Der Barbesitzer hofft, in einigen Jahren auch sein Hotel wieder eröffnen zu können. Sobald Touristen wieder den Weg nach Syrien finden. Angesichts der aktuellen Situation in Syrien könnte das jedoch noch eine ganze Weile dauern.

Angst vor Offensive in Idlib

Im Uno Sicherheitsrat wächst in diesen Tagen zudem die Angst vor einem möglichen Angriff syrischer Regierungstruppen auf Idlib, die letzte Rebellenhochburg.

Der offenbar bevorstehende Angriff auf die nordwestliche Provinz könnte ein «humanitäres Desaster» auslösen, sagte der stellvertretende schwedische Botschafter Carl Skau.

Während der vergangenen Wochen habe sich die Lage für Zivilisten in Idlib bereits deutlich verschlechtert, sagte John Ging, ein hochrangiger Vertreter der Abteilung für humanitäre Angelegenheiten bei den Vereinten Nationen.

Idlib ist die letzte noch von Aufständischen kontrollierte Provinz in Syrien. Assad hat Truppen am Rande der Rebellenhochburg zusammengezogen, die vor allem von islamistischen Gruppen kontrolliert wird. Die Regierungstruppen werden im Syrien-Konflikt militärisch von Russland unterstützt.

Türkei will syrischen Angriff auf Idlib verhindern

Aber auch die türkische Armee hat gemäss Menschenrechtsbeobachtern vor der geplanten syrischen Armee weiteres militärisches Gerät und bewaffnete Fahrzeuge in den Nordwesten Syriens verlegt. Die Zahl der Soldaten an den Posten sei verstärkt worden. Ausserdem hätten Lastwagen Zementblöcke und Betonwände gebracht.

Die Türkei versucht mit einer Vielzahl diplomatischer Initiativen seit Wochen, den syrischen Angriff auf Idlib zu verhindern, unter anderem wegen der zu erwartenden zivilen Opfer und möglicher weiterer Flüchtlingsströme Richtung Türkei. Die Türkei beherbergt bereits rund 3,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Am 7. September soll es im Iran einen weiteren Dreiergipfel zwischen der Türkei, dem Iran und Russland geben. Russland gilt als Schutzmacht von Syrien.

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