Kein Strom. Kein Wasser. Nur kalter, harter Betonboden. Dafür leuchtet grelles Neonlicht ins offene Untergeschoss des Parkhauses Val Mulini in Como (I). Das leere Parkhaus ist Nacht für Nacht die Schlafstätte von 70 Flüchtlingen.
Sie stammen aus Nigeria, Somalia, Gambia, Ghana, von der Elfenbeinküste. Am frühen Morgen stopfen die Männer ihre Habseligkeit in schwarze Kehrichtsäcke, stellen sich in Reih und Glied gegen die Mauer. Ordnung ist im «Autosilo» Val Mulini ein stilles Gesetz.
Unauffällig soll es bleiben. Es darf nicht geräumt werden wie 2016 der Park vor dem Bahnhof San Giovanni, der weltweit für Schlagzeilen sorgte. Vom wilden Flüchtlingscamp versuchten im Sommer 2016 Tausende auf Zügen in die Schweiz einzureisen. Die meisten wurden in Chiasso TI von der Grenzwacht aufgegriffen und nach Italien zurückgeschickt (BLICK berichtete).
Viele wollen in Italien bleiben
Doch die «Gäste» im Parkhaus sind anders als die meist blutjungen Flüchtlinge vom Sommer 2016. Viele sprechen fliessend Englisch, erzählen von ihrer Schulbildung, haben eine begrenzte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung für Italien –, und sie wollen nicht unbedingt über die Grenze in die Schweiz.
Doch das Container-Dorf wird ihnen verwehrt. Die Caritas nimmt nur Minderjährige, Frauen mit Kindern oder Flüchtlinge, die in Italien noch kein Asyl beantragten, auf. Und die Pfarrgemeinde des Priesters Don Giusto wurde für Flüchtlinge geschlossen.
Mit dem ersten Tageslicht tauchen auch die Helfer im Parkhaus auf. Die Freiwilligen von Don Giusto. Sie bringen Wasserkanister, Seife, Zahnbürsten. «Nur in einer Kirche dürfen wir duschen», sagt Abdou (23) aus Gambia, «jeder von uns einmal in der Woche».
«Ich will nur eines: Arbeit. Egal was, egal wo»
Wer im Auffanglager lebt, erhalte Unterstützung. Wer nicht, der werde vom italienischen Staat vergessen, sagt Abdou.
Er sei gelernter Kaufmann und habe drei Kinder (5, 3 und 1 Jahr), erzählt er. «Mein Ältester ist behindert und sitzt im Rollstuhl. Ich habe nicht einmal mehr Geld, um mit meiner Familie zu telefonieren», sagt der Afrikaner traurig. Abdou würde auch in Italien bleiben. «Ich will nur eines: arbeiten. Egal was, egal wo.»
«Wir schämen uns, weil wir so im Elend leben», sagt Marc, «ich will doch nur frei sein, mir mein Zuhause selber aussuchen und Musik machen.» Er spiele Gitarre, erklärt der Liberianer stolz. Doch ein Instrument hat er nicht.
Beschämt schaut Mohamoud (26) auf seine zerrissene Hose. In Somalia sei er Biologie- und Chemielehrer gewesen. Er kam im Januar übers Mittelmeer nach Italien. «Ich wollte weiterstudieren, eine Zukunft aufbauen für meine Frau und drei kleine Kinder», sagt Mohamoud. In Italien lebe man «wie ein Hund», sagt Mohamoud. Es bleibe nichts als der Traum. Und das Warten. Auf eine Chance. Auf einen Job. Auf ein Wunder.
Como will kein neues Flüchtlingsheim
James (34) sitzt auf der Piazza San Rocco. Hier verteilt die Caritas Brot. Er ist gelernter Mechaniker. Flehend schaut er unter seiner Schiebermütze hervor: «Ich will arbeiten, was auch immer. Bitte. Könnt ihr mir helfen?» Ibrahim (27) zeigt seine temporäre Arbeitserlaubnis. Der Ägypter hatte in Libyen einen Metzgerladen. «Als dort geschossen wurde, bin ich nach Italien geflohen», sagt Ibrahim.
Die Nächte werden kälter im Parkhaus. Auch die Stadt Como wird es. Seit Juni regiert eine Mitte-rechts-Regierung. Die hat schon angekündigt, es werde kein neues Flüchtlingszentrum geben. So erklärt Bürgermeister Mario Landriscina (63) in italienischen Medien: «Wir haben schon viel zu viele Flüchtlinge in Como. Und einen hohen Preis für sie bezahlt.»