Im Schnitt nur 19 Wochen und mit Fokus auf Waffen
Ist die lasche Ausbildung der US-Cops Schuld an Polizeigewalt?

Warum eskaliert in den USA immer wieder die Polizeigewalt derart, dass unbewaffnete Menschen ums Leben kommen? Experten weisen auf die kurze Ausbildungsdauer der US-Polizisten hin. Auch gewaltfreie Lösungen kommen dabei zu kurz, sagen die Kritiker.
Publiziert: 02.06.2020 um 17:04 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2021 um 13:47 Uhr
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Der Umgang der Polizei in den USA mit den Demonstranten wird oft kritisiert.
Foto: AFP

«Ich kann nicht atmen!», röchelte George Floyd (†46), als der Brutalo-Cop Derek Chauvin (44) ihm unerbittlich sein Knie in den Nacken drückte. Der Vorfall in Minneapolis (US-Bundesstaat Minnesota) endete für den Afroamerikaner am Montag vor einer Woche tödlich.

Dass die US-Beamten oft alles andere als zimperlich mit den Menschen umgehen, verdeutlicht dieses Beispiel zum wiederholten Mal. Seit Jahren steht die Polizei in der Kritik, besonders brutal zu agieren und allzu schnell zur Waffe zu greifen.

Polizisten in Indiana dürfen ohne Ausbildung in den Einsatz

Daran soll auch die polizeiliche Ausbildung in Amerika Schuld sein. Wie die «NZZ» berichtet, dauert die Schulung im Schnitt 19 Wochen. Von Bundesstaat zu Bundesstaat gibt es allerdings grosse Unterschiede. Während die angehenden Cops in Kalifornien zuerst 32 Wochen die Schulbank drücken müssen, dürfen die Polizisten in Indiana noch vor einem Abschluss in den Dienst. Die Bedingung: Sie müssen die Ausbildung innerhalb eines Jahres nachholen. An der Polizeiakademie in der Stadt Columbia in South Carolina dauert das Basistraining nicht mal drei Monate.

Auch was den Inhalt der Lehrgänge betrifft, zeigt sich deutlich, worauf der Fokus gelegt wird.

58 Stunden gehen im Schnitt für den Umgang mit Schusswaffen drauf, während 49 weiterer Stunden lernen die angehenden Beamten verschiedene Verteidigungstaktiken. Und nur acht Stunden verbringen sie damit, Deeskalationstechniken zu trainieren. Das zeigt eine Umfrage unter 281 Strafverfolgungsbehörden aus dem Jahre 2015.

Und genau hier liege das Problem, weshalb die US-Polizisten häufig derart brutal reagieren, sagt Chuck Wexler. Er ist der Geschäftsführer des Police Executive Research Forums (Perf) – einer internationalen Vereinigung von leitenden Polizisten und Strafverfolgungsbehörden, die sich für eine stärkere Gewichtung der Deeskalationstechniken einsetzen. Das Perf hatte die Studie in Auftrag gegeben.

«Wir geben Polizeibeamten nie die Schuld für ihre Taten. Denn wenn wir uns die Ausbildung anschauen, die sie durchlaufen haben, dann tun sie lediglich das, was man ihnen gesagt hat», sagt Wexler.

99 Prozent der Polizisten werden nie angeklagt

Hinzu kommt, dass Polizisten vergleichsweise selten bestraft werden. «CNBC» zufolge wurden zwischen 2013 und 2019 99 Prozent der in den Tod involvierten Beamten nie angeklagt. In 351 Fällen wurden vier Polizisten angeklagt und nur einer von ihnen auch verurteilt.

«Ein Polizist kommt in den Zeugenstand und sagt: ‹Ich fürchtete um mein Leben› und das ist dann alles. Es gibt keine Verurteilung und häufig nicht mal eine Anklage», erklärt Philip Stinson, Professor am Strafrechtsprogramm der Bowling Green State University in Ohio gegenüber «NBC News».

Expertenschätzungen zufolge sterben jährlich mindestens 1000 Personen durch die Hand eines Polizisten. Dabei kommen überproportional mehr Schwarze ums Leben. Statistiken zufolge machen sie 24 Prozent aus, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung der USA 13 Prozent beträgt, schreibt «CNBC».

Neben Floyd mussten unter anderem auch die Afroamerikaner Michael Brown (†18), Tamir Rice (†12) und Philando Castile (†32) durch die Hand eines Polizisten sterben. Eric Garner (†43) kam ebenfalls bei einer Verhaftung in New York im Jahr 2014 ums Leben. Seine letzten Worte waren dieselben wie jene George Floyds: «Ich kann nicht atmen!» (man)

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