Im Fokus: Maike Kohl-Richter, Hinterbliebene
Die Einsame

Die Witwe des deutschen Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl hat eine politische Agenda. Sie will das Bild des Staatsmannes in den Geschichtsbüchern bestimmen.
Publiziert: 02.07.2017 um 21:28 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 07:37 Uhr
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Maike Kohl-Richter während der Trauerfeier in Speyer.
Foto: EPA
René Lüchinger

Als die Nachrichtenagenturen am 16. Juni um 17.17 Uhr das Ableben des Altkanzlers Helmut Kohl vermeldeten, hatte die trauernde Witwe bereits die Regie übernommen. Als erste, so verfügte Maike Kohl-Richter, durfte die «Bild»-Zeitung dem deutschen Volk die Weltnachricht vom Tod des «Kanzlers der Einheit» überbringen.

Bei dem Berliner Boulevardblatt amtete einst Kai Diekmann als Chefredaktor. «Ersatzsohn des Kanzlers», wie ihn die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» einmal titulierte. Diekmann war 2008 Trauzeuge, als die Ehe zwischen dem Altkanzler und der 35 Jahre jüngeren Nationalökonomin Maike Richter geschlossen wurde.

Sogar Angela Merkel tappte vorübergehend im Dunkeln: Niemand hatte Europas mächtigste Frau vom Hinscheiden ihres politischen Ziehvaters informiert. Als sie der Witwe später telefonisch kondolierte, habe Kohl-Richter der Kanzlerin mitgeteilt, sie wünsche sich zu Ehren des Toten einen europäischen Staatsakt in Strassburg. So berichtete es jedenfalls der «Spiegel».

Doch wer ist diese Frau, die über die Trauerfeierlichkeiten für einen Jahrhundertpolitiker bestimmen will und nicht einmal davor zurückschreckt, Angela Merkel ihren Willen aufzuzwingen?

Sie schwärmte schon in der Jugend von Helmut Kohl

Von Maike Richter, die als Schülerin Mitglied der Jungen Union geworden war, erzählt man sich, wie sie bereits in jungen Jahren von Kohl geschwärmt habe. Wie sie 1994 in die Wirtschaftsabteilung des Bundeskanzleramtes eingetreten sei und den Chef glühend bewunderte. Wie sie nach dem Selbstmord von Kohls erster Ehefrau Hannelore 2001 im kleinen Kreis des Kanzlers private Einsamkeit beklagt habe. Wie sie die Nähe des 1998 Abgewählten gesucht hatte und ihm beim Schreiben seiner Memoiren zur Hand ging – der erste Band erschien 2004. Ein Jahr später, als Helmut Kohl seinen 75. Geburtstag beging, galt sie offiziell als neue Lebenspartnerin des «Alten».

Sie selbst hat zu all dem stets geschwiegen. Bis zu jenem Tag des Jahres 2014, als Kai Diekmann sie zu einem Interview für die «Welt am Sonntag» überredete. Darin fanden sich so bemerkenswerte Sätze wie: «Ich war kein Groupie von Helmut Kohl, wobei das auch keine Schande wäre. Ich stand unter Groupie-Verdacht, aber ich hatte eine politische Agenda. Bevor es die menschliche Annäherung gab, gab es die Sympathie für die Politik und natürlich vor allem für seine Politik.»

Maike Kohl-Richter sprach aber auch davon, wie beschwerlich das Leben mit dem Altkanzler geworden sei, nachdem er 2008 bei einem Sturz in seinem Haus im pfälzischen Oggersheim ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitt, keine ganzen Sätze mehr sprechen konnte und an den Rollstuhl gefesselt blieb – weshalb auch eine neue Wohnung in Berlin und das gemeinsame Leben dort unverwirklicht blieben. Stattdessen igelte sich das Ehepaar in jenem Bungalow ein, wo der Altkanzler bereits mit seiner ersten Ehefrau und den beiden Söhnen gewohnt hatte.

Es muss ein einsames Leben gewesen sein. Die Kontakte zu den Söhnen wurden gekappt. Ebenso zu Kohls langjähriger Büroleiterin, zu seinem Fahrer, der ihm mit der Zeit ein Freund geworden war. Zu praktisch allen politischen Weggefährten. Ob das dem Willen des Hausherrn entsprach, der sich in den letzten Jahren kaum mehr äussern konnte? Oder lediglich ihrem, die den hilflos gewordenen Mann ganz für sich haben wollte?

Ein Trauerspiel

Wie sie schon selber sagte, hat Maike Kohl-Richter eine politische Agenda. Auch jetzt noch. Und sie lässt noch immer nur wenige Vertraute an sich heran. Einer von ihnen: Ex-«Bild»-Chef Kai Diekmann. Er war am Tag von Kohls Tod in Oggersheim, öffnete Walter Kohl die Tür, dem ältesten Sohn des Kanzlers. Kohl konnte Abschied von seinem Vater nehmen. Tage später erschien Walter Kohl nochmals vor dem Haus seines Vaters, unangemeldet. Und wurde deshalb nicht eingelassen. Für Walter Kohl ein Eklat - und der traurige Höhepunkt in der Saga der zerstrittenen Familie des Einheitskanzlers.

Das war wohl erst die Ouvertüre eines Trauerspiels, das noch zu erwarten sein dürfte. Mindestens 400 Aktenordner aus Kohls Regierungszeit sollen noch im Haus gelagert sein. Wohl auch persönliche Briefe des Aktkanzlers. Wer darüber wacht, wer über Veröffentlichung oder Geheimhaltung bestimmt, hat vor der Nachwelt die Deutungshoheit über das Erbe dieses grossen Politikers.

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