Sie sind Anfang zwanzig. Sie handeln mit Drogen. Sie erpressen, prügeln, betrügen, tragen unerlaubt Waffen. Ganz wie die Väter und Vorväter. Und die neue Generation der ’Ndrangheta macht keinen Hehl daraus. Die jungen Machos prahlen mit ihrer Macht und ihrem Geld. Und setzen ihr Mafialeben stolz ins Netz.
Leichtes Spiel für die Mafia-Jäger. Es reicht ein Blick auf Facebook und Instagram, und die Täter sind überführt, ihre Taten aufgeklärt. Bereits mehrmals schlugen die Carabinieri in diesem Jahr zu. Zuletzt gestern im Morgengrauen. 50 der sogenannten «Cumps» (dt. Kumpel) wurden in Kalabrien festgenommen. Auch dank sozialer Netzwerke. Das berichten italienische Medien.
Protzvilla, Ferrari oder Partys waren bei den alten Paten verpönt
Die Namen der Social-Media-Mafiosi sind bekannt. Sie gehören zu alteingesessenen Familien, die seit Generationen ihren üblen Machenschaften nachgehen. Versteckt. Geheim. Unauffällig. Die Protzvilla, der Ferrari, Glamour-Partys – das war früher verpönt unter den Paten.
Ganz anders treten nun ihre Erben auf. In Gruppen stürmen sie Bars und Clubs, randalieren. Sie prügeln auf Gäste ein, wenn diese ihre Mädchen anschauen. Egal, ob da die Video-Überwachung die Gewalt aufnimmt oder nicht. Sie bestellen Champagner und prellen die Zeche. Alles in Anzug und Krawatte. Im Yuppie-Style.
Ganz offen bedrohen die jungen Wilden der ’Ndrangheta Unternehmer und Gemeinden, nötigen sie, ihren Clans die öffentlichen Aufträge abzutreten. Sie marschieren mit gezogener Kalaschnikow in die Lokale und Spielhöllen, schiessen auf Flaschen und Gläser. Sie markieren, wer Herr im Revier ist. Im Sommer 2016 schlägt die Bande von Mico T. (25) zwei Polizisten in Zivil spitalreif – auf offener Strasse.
Auch die sizilianische Familie hat skrupellosen Nachwuchs. Am Sonntag brach Roberto S., Clan-Boss in Ostia bei Rom (I), einem TV-Journalisten die Nase - vor laufender Kamera!
«Sie halten die Pistolen wie die Bösen im Film»
Ihre Vorbilder seien Hollywood-Gangster oder TV-Helden aus italienischen Mafia-Serien, sagt der Bestsellerautor Roberto Saviano (38, «Gomorrha») in der Zeitung «La Repubblica». Dem ehemaligen Camorra-Mafioso fällt auf: «Sie halten sogar beim Schiessen ihre Pistolen schräg wie die Bösen im Film. Völlig unsinnig. So kann man nicht zielen und hat keine Kontrolle über die Rückschlagkraft der Schusswaffe.»
Staatsanwalt Nicola Gratteri (59) ist in Sorge. «Schon in der Schule lernen die Kinder, so zu sprechen wie in den Actionstreifen. Sie geben sich die Namen der Helden der Mafiafilme. Dort wird eine kriminelle Welt vorgegaukelt, in der es um Furchtlosigkeit und Unbesiegbarkeit geht. Die Realität der Mafia sieht freilich ganz anders aus», sagt der prominente Mafia-Jäger zu «L’Espresso».
Der Mafia werden Facebook-Seiten gewidmet
Was den Enkeln der Paten wichtig ist, kann jeder auf Facebook und Instagram verfolgen: Luxus, Partys, Rennpferde, Kampfhunde – und die Mafiaehre. Ihr widmen die jungen Mafiosi ganze Facebook-Seiten wie «Avanti a Testa Alta» (Vorwärts erhobenen Hauptes), «Uomo d’Onore» (Ehrenmann) oder «Onore E’ Dignità» (Ehre und Würde).
Doch sie seien nicht zu unterschätzen, warnt Anti-Mafia-Staatsanwalt Federico Cafiero de Raho in «La Repubblica»: «Die meisten der Verhafteten sind sehr jung. Sie fühlen sich als die absoluten Herren. Mit grosser Arroganz haben sie ihren Anspruch auf die öffentlichen Aufträge durchgesetzt. Ihr direktes Auftreten zeigt die neue Art und Weise, wie die ’Ndrangheta ihr Gebiet kontrolliert.»