Totenstill ist es auf dem Hof im Süden Mailands. Nicht einmal der Hahn kräht. Die Tür zur Wohnung der 90-Jährigen Gutsbesitzerin steht offen. Ihre Sekretärin, die am Sonntag gegen 9.30 Uhr eintrifft, um nach dem Rechten zu sehen, entdeckt als erste die Leiche. Den Aufschrei des Entsetzens hören Camper vom Parkplatz nebenan. Sie rufen die Polizei. Was die Beamten in der Via Pescara 37 vorfinden, jagt Schauer über den Rücken.
Die Zimmer sind verwüstet. Die Greisin liegt auf dem Boden ihres Schlafzimmer in einer Blutlache. Ihre Hände sind mit Stoff gefesselt. Um den Kopf des Opfers wickelte der Mörder einen Lappen. Konnte er der Sterbenden nicht in die Augen sehen? Vielleicht aber wollte er auch den Blutstrom aus der tiefen Kopfwunde stoppen, die Leiche fortschaffen. Dann geriet er in Panik oder wurde er gestört? Jedenfalls verlässt er den Tatort, so wie er war.
Opfer führte die Buchhaltung des Betriebs
Carla Q.* ist die Herrin des Agrotourismus «Podere Ronchetto», der ihr und ihren vier Kindern gehört. Sie führt die Buchhaltung, ist mit Herz und Seele beim ländlichen Betrieb. Auf dem Hof wohnen auch Sohn Francesco B.* und vier ausländische Landarbeiter. Einer von ihnen ist Bulgare. Schon bald steht für die Polizei fest: Er ist der Killer.
Der Täter weiss, dass die Seniorin erst kurz vor dem Schlafengehen ihre Wohnungstür abschliesst. Carla Q. geht am Samstagabend gegen 18.30 Uhr noch zur Messe in der örtlichen Kirche. Danach deckt sie Zuhause den Tisch fürs Abendessen. Auf diesen Moment muss ihr Killer gelauert haben. Mühelos dringt er ins Haus ein, überwältigt die wehrlose Greisin und richtet sie wie im Blutrausch hin. Eine tiefrote Schleifspur verrät: Der Täter zieht sein Opfer ins einige Meter entfernte Schlafzimmer. Dann reisst er ein paar Habseligkeiten der Dame an sich – und flieht offenbar Hals über Kopf.
Musste Carla Q. wegen ein paar Schmuckstücken sterben?
Noch am Sonntag werden die vier Angestellten und die Kinder der Toten befragt. Gleichzeitig durchsuchen die Beamten sämtliche Wohnräume im Hof. Auch das Zimmer des Bulgaren. Dort werden sie fündig. Er hat Schmuck von Carla Q. bei sich versteckt. Laut italienischen Medien gesteht der Osteuropäer die Gewalttat und wird am Montag in den frühen Morgenstunden verhaftet. Die Bauernfamilie, die vom Reisanbau lebte und gerade ihren Hof in ein Agrotourismus umgebaut hatte, war nicht besonders vermögend. Musste Carla Q. wegen ein paar Schmuckstücke so grausam sterben? Oder steckt hinter der Bluttat noch ein anderes Motiv? Die Ermittlungen der italienischen Behörden haben gerade erst begonnen.
* Name der Redaktion bekannt