«Ich muss erst Putin treffen»
Papst Franziskus prangert Nato-Osterweiterung an

In einem Interview erklärt Papst Franziskus, die Präsenz der Nato an Russlands Grenzen habe Putins Angriffskrieg auf die Ukraine «vielleicht erleichtert». Er will nun Moskau einen Besuch abstatten – erst später Kiew.
Publiziert: 05.05.2022 um 04:35 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2022 um 07:17 Uhr
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Papst Franziskus befürchtet, die Nato könnte Russlands Einmarsch in die Ukraine verursacht haben.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire

Papst Franziskus (85) polarisiert. In einem Interview mit der italienischen Zeitung «Corriere della Sera» hat er die Schuld Russlands am Angriffskrieg auf die Ukraine relativiert. Er sagte, dass «das Bellen der Nato an Russlands Tür» zu Wladimir Putins (69) Invasion in die Ukraine geführt haben könnte. Er würde zwar nicht so weit gehen zu sagen, dass die Nato-Präsenz in den Nachbarländern Moskau provoziert habe, aber sie habe die Invasion vielleicht erleichtert.

Er habe angeboten, den russischen Präsidenten in Moskau zu treffen, erklärte Franziskus. «Am ersten Tag des Krieges habe ich den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44) angerufen», sagte Papst Franziskus. «Putin hingegen habe ich nicht angerufen.»

«Ich muss erst Putin treffen»

Er habe bereits Vertreter Roms nach Kiew geschickt. Schon vor Wochen hatten Selenski und Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (50) den Argentinier eingeladen, in das Kriegsland zu kommen. «Aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht gehen darf. Ich muss erst nach Moskau fahren, ich muss erst Putin treffen», sagte er. Bloss: Bisher habe der Vatikan noch keine Rückmeldung aus dem Kreml erhalten. «Wir drängen weiter, obwohl ich fürchte, dass Putin dieses Treffen im Augenblick nicht haben kann und haben will», sagte Franziskus.

Der Papst verurteilte zudem die «Brutalität» des Krieges. Er verglich ihn mit dem Bürgerkrieg in Ruanda in den Neunzigerjahren, der zu einem Völkermord an der Tutsi-Minderheit führte. Damals kamen mindestens 500'000 Menschen ums Leben.

40 Minuten Zoom-Telefonat mit Patriarch Kirill

Franziskus äusserte sich auch zur Rolle von Patriarch Kirill (75), dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, der den russischen Krieg unterstützt.

«Ich habe mit Kirill 40 Minuten lang per Zoom gesprochen. In den ersten zwanzig Minuten las er mir alle Rechtfertigungen für den Krieg vor. Ich hörte zu und sagte: Ich verstehe das alles nicht. Bruder, wir sind keine Staatskleriker, wir können nicht die Sprache der Politik verwenden, sondern die Sprache Jesu. Deshalb müssen wir nach Wegen des Friedens suchen und das Feuer der Waffen einstellen.»

Der Papst habe eigentlich am 14. Juni ein Treffen mit Kirill in Jerusalem vereinbart. Doch der Pontifex sagte dieses nun mit dem Argument ab, es «könnte ein zweideutiges Signal sein». (oco)


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