Kurz nach der Verhaftung von «El Chapo» veröffentlichte der «Rolling Stone» einen Artikel von Sean Penn, der den Drogenboss während seiner Flucht traf und interviewte. Das mediale Echo und die Kritik am Artikel des selbsternannten «experimentellen Journalisten» war gross.
Jetzt spricht Sean Penn erstmals über die Beweggründe für das Treffen mit dem meistgesuchten Drogenboss der Welt. In der Sendung «60 Minutes» des Senders CBS stand er dem Journalisten Charlie Rose Red und Antwort.
«Was soll das bringen?»
Rose fragt Penn, was es denn bringe, einen Mann wie Joaquín Guzmán, der aus dem Gefängnis ausgebrochen ist und Unmengen an Drogen in die USA bringt, zu interviewen. «Ich glaube, die Drogen-Politik, die uns alle etwas angeht, ändert sich nicht», sagt Penn.
Grund für dieses Stagnieren ist laut Penn unser Streben danach, das Problem zu vereinfachen. «Wir setzen alle unsere Ressourcen dazu ein, uns auf den Bösewicht zu fokussieren.» Penn sieht sich nicht als Journalist, der über mutmasslichen Morde und die Menge an importierten Drogen schreiben muss. «Ich gehe und verbringe Zeit mit einem anderen Menschen», sagt Penn. «Ich beobachte und versuche, das mit dem zu vergleichen, was wir meiner Meinung nach zu schwer gewichten.»
Man hat den Eindruck, Sean Penn redet viel, sagt aber nichts. Und auch Charlie Rose versteht Penn nicht. «Natürlich sind Drogen ein grosses Problem in den USA. Aber was bringt es, ihn zu treffen, ausser Aufmerksamkeit?», fragt er.
«Ich wollte eine Diskussion über Drogen anregen»
Penn wiegelt ab. Er versteht zwar die Journalisten, die ihm vorwerfen, es gehe beim «El Chapo»-Interview nur um sein Ego. Er streitet aber ab, dass sie recht haben. Er wollte zu einer öffentlichen Diskussion über Drogen anregen. Aber – und das überrascht – er hält seinen Artikel für einen Flop. «Ich bin mit meinem Artikel gescheitert.» Er fragt sich, wie viel in der Woche der Veröffentlichung über das Thema Drogen gesprochen wurde. Er schätzt rund ein Prozent – also nichts in seinen Augen.
Mit «El Chapo» gesprochen zu haben bereut Penn aber keineswegs. «Ich bereue nichts, was ich getan habe. Ich bereue nur, dass die Menschen missverstanden haben, was ich getan habe.»
Kritik an Penns Treffen mit dem flüchtigen Drogenboss gab es vor allem von Seiten mexikanischer Journalisten. So warf man Penn vor, die Situation auf Mexikos Strassen gar nicht zu kennen. Er hätte lediglich eine «Homestory» mit Guzmán gemacht. Was der Drogenboss in dem Artikel erzählt, interessiert die Mexikaner nicht. Man wolle Antworten auf die Fragen, wie er aus dem Gefängnis ausbrach, wen er dafür bezahlt hatte und wie viele Menschen er getötet hatte.
Ebenfalls für Kritik sorgte die Tatsache, dass sich Penn in einem vom Sinaloa-Kartell beschützten Gebiet befand, in dem mexikanische Journalisten für gewöhnlich terrorisiert werden.
«Ich war erstaunt, dass El Chapo dieses Risiko einging»
Penn gibt im Interview Auskunft darüber, wie es zum Treffen kam. «Wir hatten einen Kontakt, über den wir zu einer Einladung kamen», sagt Penn. Eine zentrale Rolle spielte die mexikanische Schauspielerin Kate Del Castillo. Offenbar war «El Chapo» von ihr fasziniert. Von Sean Penn soll er zuvor noch nie etwas gehört haben.
«War es naiv von Ihnen zu glauben, Sie könnten nach Mexiko reisen und zusammen mit Del Castillo «El Chapo» treffen, ohne dass jemand etwas davon mitkriegt?», fragt Charlie Rose. «Ich gehe davon aus, dass die Behörden Bescheid wussten. Aber ich war auch erstaunt, dass «El Chapo» für unser Treffen dieses Risiko eingeht.»
Die mexikanische Regierung sagte nach «El Chapos» Verhaftung, das Treffen mit Penn hätte entscheidende Hinweise geliefert. Daran glaubt Penn selbst aber nicht. «Die Mexikanische Regierung wurde schon bei seinem Ausbruch blossgestellt. Die waren bestimmt auch jetzt gedemütigt, dass jemand «El Chapo» gefunden hat, bevor sie ihn finden konnte», sagt Penn. (kab)