Heftige Proteste im Libanon
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Proteste Libanon:Heftige Proteste im Libanon

Hunderttausende im Libanon auf der Strasse
Schweizer Botschaft in Alarmbereitschaft

Seit über einer Woche herrschen im Libanon massive Unruhen. Die Schweizer Botschaft hält dennoch ihren Betrieb aufrecht.
Publiziert: 27.10.2019 um 17:56 Uhr
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Trotz der Versprechen der Regierung gehen die Libanesen diese Woche immer noch auf die Strasse.
Foto: AFP
Guido Felder

In der «Schweiz des Nahen Osten» ist die Hölle los. Im Libanon gingen in den vergangenen Tagen Hunderttausende Menschen auf die Strasse, um gegen Korruption und Vetterliwirtschaft zu protestieren. Auslöser war die geplante Einführung einer Steuer auf WhatsApp. Mit 20 Rappen pro Tag und Person wollte die Regierung die Nutzer von WhatsApp, Facebook und Facetime zur Kasse bitten, um die marode Staatskasse zu sanieren.

Schon schnell wechselte die Wut auf die Steuer in eine Wut auf die korrupte Regierung, die den Staat in eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise geritten hat. Die Demonstrationen arteten aus: Banken, Schulen und Universitäten blieben geschlossen, die Regierung liess in der Hauptstadt Beirut Panzerwagen auffahren.

1451 Schweizer im Libanon

Im Libanon leben laut EDA 1451 Schweizer Staatsangehörige, von denen 1064 auch die libanesische Staatsbürgerschaft besitzen. Die Schweizer Vertretung in Beirut ist in Alarmbereitschaft. «Die Botschaft verfolgt die jüngsten Entwicklungen im Libanon aufmerksam», heisst es beim EDA auf Anfrage von BLICK. Und weiter: «Sie steht in regelmässigem Kontakt mit diesen Personen und hat ihren Betrieb seit Ausbruch der Demonstrationen vor acht Tagen aufrechterhalten.»

Der Libanon vereint 18 anerkannte religiöse Gruppierungen. Das EDA bezeichnet das Land als «eine funktionierende – wenn auch hochkomplexe – Demokratie». Die jetzige libanesische Regierung sei im Januar 2019 im Anschluss «an freie und faire Wahlen» gebildet worden. Das EDA: «Die Schweiz unterstützt das in der libanesischen Verfassung garantierte Recht auf friedliche Demonstration.»

Regierung gibt nach

Inzwischen ist die libanesische Regierung eingeknickt. Präsident Michel Aoun (84) versprach in einer landesweit übertragenen Fernsehansprache, er werde gegen Korruption im Staatswesen vorgehen und mit den Demonstranten zusammensitzen, um eine Lösung gegen den finanziellen Staatskollaps zu finden. Auch wird auf neue Steuern und die Privatisierung grosser Banken verzichtet.

Der Libanon, der früher zu Frankreich gehörte, ist seit 1943 unabhängig. Das Land ist flächenmässig viermal kleiner als die Schweiz, zählt aber mit 6,2 Millionen fast so viele Einwohner. Wegen seiner ehemals wirtschaftlichen Stabilität und politischen Neutralität wird der Libanon auch als «Schweiz des Nahen Osten» bezeichnet – was aber zurzeit wohl nicht der passende Ausdruck ist. 

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