Horror-Kliniken in Brasilien
Ärzte führten Corona-Experimente an Patienten durch

In Kliniken einer privaten Krankenversicherung wurden Hunderte Covid-Patienten als Versuchskaninchen missbraucht. Ärzte behandelten die Leute mit Medikamenten-Cocktails und liessen sie sterben, wenn die Methoden nicht anschlugen. Jetzt wird gegen die Kliniken ermittelt.
Publiziert: 14.12.2021 um 21:05 Uhr
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Hunderte Covid-Patienten wurden in São Paulo mit zweifelhaften Medikamenten und Methoden behandelt (Archiv).
Foto: keystone-sda.ch

Was Covid-Patienten in São Paulo durchmachen mussten, ist schlichtweg grausam. In Kliniken der privaten Krankenversicherung Prevent Senior verabreichten Ärzte den Leuten zweifelhafte Medikamente und testeten fragwürdige Therapien an ihnen.

Offenbar hofften die Mediziner, berühmt zu werden, sollten sie eine geeignete Behandlung gegen Covid-19 finden. Die Methoden hatten aber teilweise schwere Nebenwirkungen. Eine Patientin starb, weil ihr Ozongas in den Anus geblasen wurde.

Im Mittelpunkt des riesigen Skandals steht der Anwalt und Immobilienmakler Tadeu Frederico de Andrade (65) aus São Paulo. Er sei «ein Überlebender», sagte er gegenüber dem «Spiegel». «Meine Familie hat mich vor dem Tod gerettet.» De Andrade steckte sich im Dezember 2020 mit Corona an und konsultierte eine Ärztin von Prevent Senior. Er war seit acht Jahren dort versichert.

Medikamentencocktail mit Malaria- und Wurmmittel

Noch bevor er das Resultat des PCR-Tests bekommen hatte, schickte ihm die Klinik ein «Covid-Kit» mit einem Medikamentencocktail. Es enthielt neben Tabletten mit Vitamin D und Schmerzmitteln das Malariamittel Chloroquin, das Herzrhythmusstörungen verursachen kann. Dazu gab es das Wurmmittel Ivermectin sowie das Antibiotikum Azithromycin.

Fünf Tage lang schluckte de Andrade die Medikamente. Sein Zustand verschlechterte sich jedoch drastisch, und er musste ins Spital. Dort gaben ihm die Ärzte ein Medikament zur Hormonbehandlung bei Prostatakrebs, obwohl die Tochter das ausdrücklich abgelehnt hatte.

Ärzte wollten die lebenserhaltenden Maschinen abschalten

Als sein Zustand sich weiter verschlechterte, meldete sich eine Ärztin bei der Familie. «Sie bedrängte meine Tochter, einer Palliativbehandlung zuzustimmen, das heisst, mich sterben zu lassen», sagte de Andrade. Angeblich stand der Zeitpunkt bereits fest, an dem die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet werden sollten. Niemand aus der Familie hatte dafür das Einverständnis gegeben.

Erst als die Familie drohte, Justiz und Medien einzuschalten, lenkten die Ärzte ein. De Andrade holte sich daraufhin einen eigenen Arzt, und zehn Tage später ging es ihm wieder besser. Plötzlich litt er jedoch unter Herzrhythmusstörungen – eine mögliche Spätfolge der Medikamente, die ihm verabreicht worden waren. Mittlerweile hat er sich wieder vollständig erholt.

Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Nun ermittelt ein Untersuchungsausschuss im Parlament von São Paulo gegen Prevent Senior. Zuvor hatte bereits der Senat in der Hauptstadt Brasilia auf die Horrormethoden der Firma aufmerksam gemacht. In dem über Tausende Seiten dicken Abschlussbericht mit bedrückenden Beweisen werden 78 Männer und Frauen sowie zwei Firmen beschuldigt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

Unter ihnen sind neben dem Staatspräsidenten Jair Bolsonaro (66) und drei seiner Söhne auch elf Manager und Ärzte von Prevent Senior. Bolsonaro beschimpfte den Ausschussvorsitzenden in einem Live-Auftritt auf Youtube und machte deutlich, dass er nichts von dem Untersuchungsausschuss halte. Gegen ihn laufen bereits fünf Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Handhabung der Corona-Pandemie. (gin)

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