Sie gedachten schweigend der Opfer auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 26 Jahren. Die frühere britische Kronkolonie Hongkong, die seit ihrer Rückkehr zu China 1999 über einen Sonderstatus verfügt, ist die einzige Stadt in China, in der es grössere Gedenkfeiern für die Tiananmen-Proteste gibt.
«Zehntausende Menschen haben sich jedes Jahr versammelt, um Euer Opfer zu betrauern, in der Hoffnung, dass Euch eines Tages Gerechtigkeit widerfährt», sagte Organisator Mak Hoiwah mit Blick auf die hunderten, womöglich tausenden Opfer der Niederschlagung der Proteste. «Wir werden weiter eine unabhängige Untersuchung zur Aufdeckung der Wahrheit fordern.»
Studenten verbrannten auf der Bühne eine Ausgabe des Hongkonger Grundgesetzes, da dieses «die Demokratie einschränkt». In der Sonderverwaltungszone gelten seit der Rückkehr des Gebiets zu China nach dem Prinzip «Ein Land, zwei Systeme» Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die sonst in China stark eingeschränkt sind. In zwei Wochen soll über eine Wahlrechtsreform abgestimmt werden, die erstmals die Direktwahl des Verwaltungschef erlaubt.
Allerdings behält sich die Zentralregierung in Peking das Recht vor, die Kandidaten für die Wahl vorher auszuwählen. Diese Pläne lösten im vergangenen Jahr massive Proteste aus, die die Metropole über Monate lähmten. Die Demokratiebewegung lehnt die Wahlrechtsreform weiter ab, zeigte sich am Donnerstag aber gespalten. So hielt die Studentenbewegung erstmals zum Jahrestag der Tiananmen-Proteste eine eigene getrennte Kundgebung ab.
Auch in Taiwan versammelten sich am Donnerstag hunderte Menschen zu einer Gedenkfeier, bei der auch zwei frühere Studentenführer vom Tiananmen-Platz auftraten. In den chinesischen Provinzen Shaanxi und Hunan wurden laut der Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders dutzende Aktivisten vor dem Jahrestag festgenommen. In Peking begleiteten dutzende Zivilpolizisten die 77-jährige Mutter eines der Opfer zum Grab ihres Sohnes, wie sie selbst berichtete.