Homophob, rassistisch und eine Gefahr für die Demokratie
Jair Bolsonaro wird Präsident Brasiliens

Jair Bolsonaro ist der neue Präsident Brasiliens. Für die Mehrheit der Wähler ist er ein Segen. Für die Demokratie Brasiliens aber ist er eine grosse Gefahr.
Publiziert: 29.10.2018 um 01:20 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2018 um 16:02 Uhr
Brasilianer wählen Rechtspopulisten zum Präsidenten
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Bolsonaro gewinnt mit 55,2 Prozent:Brasilianer wählen Rechtspopulisten zum Präsidenten
Fabian Vogt

Jair Bolsonaro ist Brasiliens neuer Präsident. In einer Stichwahl besiegte der Kandidat der Partido Social Liberal seinen letzten verbliebenen Konkurrenten, Fernando Haddad (PT), deutlich und konnte rund 55 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Bolsonaros grosses Versprechen an die Bevölkerung: Aufzuräumen. Auf den Strassen Brasiliens, wo so viele Menschen sterben, wie sonst nur in Kriegsländern. Wo Reiche Angst haben, essen zu gehen und die Armen in den Favelas nicht wissen, wann ihr Leben endet und als weiteres Opfer eines Bandenkriegs in die Statistik eingehen wird.

Der sehr rechts stehende Bolsonaro macht keinen Hehl daraus, wie er das Problem lösen will: «Gewalt lässt sich nur mit Gewalt bekämpfen», lautete sein Motto der letzten Monate. Bei Wahlkampfauftritten formte er passend aus Daumen und Zeigefinger eine Pistole und drückt symbolisch ab. Den Besitz von Waffen zu erleichtern soll eine seiner ersten Amtshandlungen werden.

Reaktion auf die PT-Politik

Heute jubeln die Menschen, die Bolsonaro gewählt haben. Die genug haben von den illegalen Machenschaften der Partido dos Trabalhadores (PT), die unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ein riesiges Korruptionsnetzwerk aufbaute, das nach und nach aufgedeckt wird. Daran scheiterte nicht nur Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff, sondern auch Bolsonaros Gegner Fernando Haddad, die letzte Hoffnung der PT. 

Kommt dazu, dass Brasilien in den letzten fünf Jahren in die schwerste Rezession seiner Geschichte schlitterte. Für viele Brasilianer war klar, wer der Schuldige war: Die PT. Allerdings war es auch die PT, unter der Brasilien in den 0er-Jahren einen nicht für möglich gehaltenen Aufschwung erlebte: Die Armutsquote halbierte sich innerhalb einer Dekade, Millionen Brasilianer stiegen dank der Wirtschaftsreformen Lulas in den Mittelstand auf. 2009 konnte die Regierung sogar verkünden, dass sie dem Internationalen Währungsfonds (IMF) zehn Milliarden Dollar als Kredit zur Verfügung stellen werde. Wo man zuvor immer den IMF um Geld anbetteln musste.

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Jair Bolsonaro lässt sich feiern. Er hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien gewonnen.
Foto: REUTERS

Daran denkt heute aber kaum mehr ein Brasilianer. Wie auch nicht daran, dass erst die PT die Rechtsgrundlagen schuf, welche die Aufarbeitung der Korruptionsfälle überhaupt erst möglich machte. Vor allem aber auch nicht nicht daran, dass Bolsonaro, der als «Aussenseiter» vermarktet wurde, seit 1991 in der Politik ist und von all den Korruptionsaffären rund um den Petrobras-Konzern mit Sicherheit gewusst hat, falls er nicht selber darin verwickelt ist.

Bolsonaro ist ein Rassist

Die Wähler störte das nicht, wie die Resultate zeigen. Auch nicht, dass Bolsonaro eindeutig homophobes («Ich hätte lieber einen Sohn, der bei einem Unfall stirbt, als einen schwulen Sohn») und rassistisches («Es besteht keine Gefahr, dass sich meine Söhne in eine Schwarze verlieben, sie wurden gut erzogen») Gedankengut verbreitet. Viele unentschlossene Wähler, aus allen Gesellschaftsschichten, taten solche Aussagen als überbordendes Selbstvertrauen des Kandidaten ab, der als Präsident dann schon ganz anders auftreten würde. Hoffnung dazu gab seine Siegesrede vom Sonntag: Er kündigte einen radikalen Politwechsel an, «der Flirt mit Kommunismus, Sozialismus, Populismus und Linksextremismus» sei vorbei. Bolsonaro sprach aber auch von einem «Brasilien der unterschiedlichen Meinungen, Farben und Orientierungen», was diametral zu vorher getätigten Aussagen steht.

Nichtsdestotrotz befürchten Gegner, dass der 63-Jährige die Errungenschaften der jungen brasilianischen Demokratie zu zerstören droht. Gründe dafür gibt es einige. Bolsonaro sagte im Vorfeld der Wahl, kein anderes Wahlergebnis als seinen eigenen Sieg anzuerkennen. Er spielte mit dem Gedanken, notfalls das Militär, zu dem er als Hauptmann der Reserve eine enge Bindung hat, um Hilfe zu bitten. Seinen Gegnern drohte er erst kürzlich mit Gefängnis und Exil.

Hier liegt das grosse Problem, das nun auf das sechstgrösste Land der Erde zukommen könnte. Mit Bolsonaro ist jemand an der Macht, der keinen Hehl daraus macht, eine Militärregierung zu befürworten. Die wichtigsten Posten in der Regierung will er mit Militärs besetzen. Über die brasilianische Militärdiktatur (von 1964 bis 1985) sagte er den bemerkenswerten Satz: «Der grosse Fehler der Diktatur war es, dass sie Menschen nur gefoltert hat. Nicht getötet.»

Allerdings muss dazu auch gesagt werden: Bolsonaros Gegner Haddad kündigte an, im Januar gemeinsam mit Lula in den Palast einzuziehen. Damit hätte er den Ex-Präsidenten aus dem Gefängnis geholt, mehr als eine Dekade bevor dessen Strafe vorbei gewesen wäre (BLICK berichtete). Rechtsstaatlichkeit sieht auch in dem Fall anders aus.

Das Ende vom Anfang der Demokratie?

Lula wird im Gefängnis bleiben, dafür wird Bolsonaro sorgen. Doch die Wahrung der Demokratie ist damit nicht garantiert. Der Wahlkampf des 63-jährigen Jair Bolsonaro hatte dafür zu viel gemein mit jenem Rodrigo Dutertes, der seit 2016 Präsident der Philippinen ist und beim Kampf gegen das Verbrechen mehr Blut auf den Strassen verbreitet, als es die Mafia je geschafft hat. Um seine Macht zu sichern, bedient sich Duterte immer mal wieder des Kriegsrechts. Die Philippinen sind auf gutem Weg, eine Diktatur zu werden. 

Die Brasilianer können aber auch in den Norden schauen, nach Venezuela. Dort haben der demokratisch gewählte Hugo Chávez und sein Nachfolger Nicolas Maduro die demokratischen Institutionen Stück für Stück dekonstruiert und eine Diktatur installiert. Als Folge flüchten derzeit zehntausende Venezuelaner über die Grenze, suchen Zuschlupf in Kolumbien, Ecuador oder Brasilien.

Auch wenn Chavez und Maduro am anderen Ende des politischen Spektrums als Bolsonaro anzutreffen sind, dürfte ein allfälliges Ende der Demokratie in Brasilien die gleiche Wirkung entfallten. Dann dürfen in einigen Jahren zehntausende Brasilianer den umgekehrten Weg nach Venezuela einschlagen wollen. Es bleibt darum die Hoffnung, dass der Wahlkämpfer Bolsonaro und der Präsident Bolsonaro zwei verschiedene Personen sind.

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