Familie lebte neun Jahre lang in kleinem Raum
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Seltsamer Fall in Niederlanden:Familie lebte neun Jahre lang in kleinem Raum

Neun Jahre im Keller – Rätsel um holländisches Horror-Haus
Sohn Jan D. (25) war trotz Isolation auf Instagram aktiv

Ein 25-Jähriger taucht verwirrt in einem Café in den Niederlanden auf. Dem Wirt erzählt er eine unglaubliche – aber offenbar wahre – Geschichte: Er sei seit neun Jahren nicht mehr draussen gewesen. Jetzt ermittelt die Polizei. Ein Österreicher ist festgenommen.
Publiziert: 15.10.2019 um 14:58 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2019 um 08:46 Uhr
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Gerrit-Jan D. (67) isolierte seine Familie neun Jahre lang von der Aussenwelt.
Foto: dpa

Neun Jahre lang versteckte sich eine holländische Familie auf einem verwilderten Bauernhof, weit abseits von jeglicher Zivilisation, im Osten der Niederlande. Bis vergangenen Montag. Da entdeckt die niederländische Polizei die Gruppe in einem kleinen Raum im Inneren des Gebäudes in Ruinerwold.

Das, nachdem ein verwirrter Mann (25) mit dreckigem Bart und langen Haaren sich in einer Kneipe in der Umgebung gemeldet hatte. Er sei seit neun Jahren nicht mehr draussen gewesen, sagte er dem Wirt und bestellte ein Bier.

Gegenüber «Bild» spricht nun der 27-jährige Wirt Chris Westerbeek: «Er sagte, dass er Jan heisse, weggelaufen sei und Hilfe brauche.» Laut Westerbeek sei der Mann bereits anderthalb Wochen zuvor einmal im Lokal aufgetaucht. Er habe hastig fünf Bier getrunken und sei dann wieder verschwunden. Als der Mann am Montag zum zweiten Mal auftauchte und um Hilfe bat, alarmierte Westerbeek die Polizei.

Der Zeitung «AD» sagte der Wirt: «Dieser Mann sah ungepflegt aus, hatte langes, verwildertes Haar. Er sagte, dass er nie zur Schule gegangen sei.»

Ein Barbesucher hörte ihn ausserdem über einen «seltsamen Glauben» sprechen. Tageslicht sei schlecht, soll der 25-Jährige gesagt haben.

Jan D. unterhielt Facebook- und Instagram-Account

Doch wie viel bekam Jan D.* von der Aussenwelt wirklich mit? Der 25-Jährige unterhielt aktiv ein Facebook-Profil und auch einen Instagram-Account. Dabei teilte er immer wieder Bilder, die klar zeigen, dass er nicht nur im Haus eingesperrt war. 

Ein Bild zeigt ihn zudem bei der Arbeit am Computer. «Wenn du um diese Zeit noch am Computer sitzt, weisst du, dass deine Arbeit inspirierend ist» – kommentiert er dazu. Auf Facebook gibt er an, dass er als Online-Store-Manager für ein Unternehmen namens Creconat arbeitet.

Zudem scheint er ein grosser Anhänger der Klimabewegung zu sein. Auf Facebook teilt er mehrere Artikel zum Thema und Videos von Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Letzte Woche hat er dreimal nachts ein Foto gepostet, das er nachts in Ruinerwold gemacht hat. Wahrscheinlich war er zu dieser Zeit auf dem Weg von der Farm in die Dorfkneipe.

Eltern führten «erfolgreiche Firma»

Darüber hinaus lässt sich aus seinen Social-Media-Kanälen schliessen, dass die Mutter der Familie im Jahr 2004 verstorben ist. Bis zu diesem Zeitpunkt lebte die Familie in Hasselt, wo der 25-Jährige geboren sein soll.

Auf seiner LinkedIn-Seite schreibt er, dass seine Eltern bis zum Tod der Mutter ein erfolgreiches Geschäft führten. «In der Zwischenzeit ist viel Zeit vergangen ... wir kümmern uns jeden Tag um Papa.» Der Vater hatte offenbar vor ein paar Jahren einen Schlaganfall erlitten und lag daher im Bett. Weiter schreibt er, dass «die persönliche Verbindung für ihn immer von zentraler Bedeutung war».

2005 zog die Familie nach Zwartsluis, wo sie drei Jahre lebte. Dann liess sich die Familie 2008 in Meppel nieder. Seit 2010 lebt die Familie auf dem Bauernhof in Ruinerwold, der Bürgermeister und die Polizei haben dies zuvor bestätigt.

Verdächtiger wurde «Josef, der Österreicher» genannt

Die Polizei hat den Mieter des Hauses Josef B. (58) festgenommen. Der Mann kommt aus Wien und soll Holzarbeiter sein. Gemäss dem Bürgermeister der Gemeinde handelt es sich bei ihm nicht um den Vater der Geschwister. Medienberichten zu Folge wurde der Vater aber ebenfalls im Raum gefunden. Auf einer Liege. Zunächst war die Rede von einem Keller. Mittlerweile präzisiert die Polizei. «Wir trafen sechs Menschen an in einem abschliessbaren kleinen Raum in der Wohnung, es war kein Keller.»

Was ist auf diesem Bauernhof passiert? Der verhaftete Mieter schweigt im Verhör. Nachbarn geben gegenüber lokalen Medien an, nichts von den Geschwistern zu wissen.

Ein Mann war täglich mit seinem Volvo auf das Grundstück gefahren. Im Dorf habe man ihn «Josef, der Österreicher» genannt. Am Gemeindeleben nahm er nicht teil. Anwohner beschreiben ihn als bissig: «Wenn man nur in die Nähe kam, schickte er einen weg. Er beobachtete immer alles mit einem Fernglas.»

Die Besitzerin des Hofs ahnte nichts von den Zuständen auf dem Grundstück. «Ich bin wirklich erstaunt, das alles zu hören», sagt sie gegenüber «OE24». Der Wiener habe seine Miete denn auch immer pünktlich gezahlt.

Hielten sich mit Gemüsegarten und Ziege am Leben

Die sechs Geschwister hingegen hätten bisher nicht geglaubt, dass es auf der Welt noch andere Menschen gibt, berichtet «AD.nl». Sie hätten im Haus auf das Ende der Welt gewartet und hielten sich offenbar mit einem Gemüsegarten, einer Ziege und Gänsen am Leben.

Die Beamten brachten Jan D. nun gemeinsam mit den sechs anderen Personen in eine Klinik. Einige von ihnen waren standesamtlich registriert. Die Geschwister sollen zwischen 16 und 25 Jahren alt sein. Wie sie lebten, wie es ihnen gesundheitlich geht, ist noch unklar. «Alle Szenarien sind noch offen», sagte ein Sprecher der Polizei. Man ermittle nun mit Hochdruck. (hah/neo/man/nim)

*Name bekannt

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