Wladimir Putin gab diese Woche bekannt, dass er 2018 als Präsident wiedergewählt werden möchte (BLICK berichtete). Es wäre seine vierte Amtszeit. Doch im Gegensatz zur deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die derzeit für ihre vierte Amtszeit kämpft, ist Putin ein paar Jahre länger an der Macht. Und im Gegensatz zu seiner deutschen Kollegin muss Putin auch nicht um die Wiederwahl fürchten.
Obwohl westliche Staatschefs seit Jahren gegen Putin wettern und die Medien darin dankbar einen neuen Ost-West-Konflikt sehen, scheint Putin prädestiniert, der ewige Präsident Russlands zu werden. Seine Umfragewerte sind hoch wie selten, und es gibt niemanden, der realistische Chancen hat, den geistig und körperlich fitten 65-Jährigen zu beerben. Dass dem so ist, verdankt Putin zu grossen Teilen seinem Vorgänger Boris Jelzin.
Aus der Sowjetzeit in die Krise
Jelzin führte Russland in den Anfangsjahren der Post-Sowjetzeit, die von Demokratisierung und Privatisierung geprägt war. Auch wenn Jelzin wichtige und nötige Reformen durchführte, betrachten ihn die meisten Russen als Versager. Als Trunkenbold, der die Mehrheit des Volks verarmen liess, während sich gleichzeitig eine Elite bildete, die sagenhafte Vermögen einfuhr und zudem grosse politische Macht beanspruchte.
Die Abscheu des Volks ging so weit, dass Jelzin 1996, nur fünf Jahre nach dem Ende der Sowjetunion, nur durch massive Wahlmanipulationen einen Kommunisten daran hindern konnte, Präsident Russlands zu werden.
In den Folgejahren wurde die Kluft zwischen Volk und Regierung immer tiefer, bis Jelzin im Jahr 1999 Wladimir Putin zum neuen Ministerpräsidenten ernannte. Die erste Bewährungsprobe des bisherigen Geheimdienstchefs folgte sogleich: Nach einer Serie von – nie aufgeklärten – Bombenanschlägen auf Moskauer Wohnhäuser überschritten auf Befehl Putins am 1. Oktober 1999 russische Armee-Einheiten die Grenze zum tschetschenischen Landesteil.
Den Russen gefiel Putins resolutes Durchgreifen, er gewann an Beliebtheit, und als Jelzin ein paar Wochen später überraschend sein Amt niederlegte, wurde Putin verfassungsgemäss sein Nachfolger. Bis heute ist nicht bekannt, ob für die Bombenanschläge tatsächlich tschetschenische Terroristen verantwortlich waren. Doch die Aktion führte dazu, dass Putin einige Monate später mit 52 Prozent der Stimmen zum russischen Präsidenten gewählt wurde.
Gewiefter Taktiker im rechtlichen Graubereich
Putin war schon immer ein Meister der Inszenierung und Manipulation. Gab es unter Jelzin noch Meinungs- und Pressefreiheit, kann davon heute kaum mehr die Rede sein. Eine der ersten Amtshandlungen Putins als Präsident war, zahlreiche Oligarchen verhaften zu lassen. Als «Kampf der Korruption» stellte er es dar, allerdings waren es auch diese Leute, die Putins Machtanspruch am ehesten in Frage stellen konnten.
Zudem ist Russland heute kaum weniger korrupt als vor 20 Jahren. Die meisten Russen aber hatten Freude an der damaligen Hetzkampagne, denn während sie in den Jelzin-Jahren unter grosser Inflation litten und ein Grossteil der Bevölkerung verarmte, bereicherten sich die Oligarchen schamlos und gaben sich nicht einmal Mühe, Korruption zu vertuschen.
In den Folgejahren entledigte sich Putin immer mehr politischer Gegner und festigte seine Macht durch geschickte, manche mögen sagen: undemokratische Schritte. 2008 überliess er das Amt seinem Kumpel Dmitri Medwedew, weil die russische Verfassung nur zwei aufeinander folgende Amtszeiten als Präsident zulässt. 2012 übernahm er dann wieder, sorgte aber kurz dafür noch dafür, dass die Amtszeit des russischen Präsidenten neu sechs statt wie bis anhin vier Jahre beträgt.
Russland ist wieder jemand
Es ist derzeit nicht abzusehen, weshalb Putins Beliebtheit in naher Zukunft kleiner sein wird als heute. Denn sein wichtigster Wählerpool sind Russen in den mittleren Jahren, die in ihrem Leben zu viel Leid ertragen mussten und von Putin Hoffnung auf ein besseres Leben erhalten haben. Dafür nehmen sie Abstriche hinsichtlich ihrer persönlichen Freiheit gerne in Kauf. Auf der anderen Seite stehen die Jungen, die kein autoritäres Russland wollen. Doch sie sind zu wenig gut organisiert, um Putin gefährlich werden zu können, zumal er auch mal durchgreifen kann, wenn er angegriffen wird.
Da spielt es auch keine Rolle, wenn Putin vom Westen, besonders den USA, seit jeher attackiert wird. Meist liegen die Gründe in seiner Aussenpolitik. Während heute Donald Trump bisher eher auf Schmusekurs mit dem Russen geht, fürchteten seine Vorgänger George W. Bush, Barack Obama oder Hilary Clinton, dass wegen Putin ihr alter Lieblingsfeind wieder auferstehe. Nach der Jelzin-Ära lag das Land am Boden, von einer Supermacht konnte keine Rede mehr sein.
Hoffnung für die Mittelschicht
Nun ist der russische Bär wieder erwacht. Das Land sichert seine Grenzen oder weitet sie, wie auf der Krim, aus. Die realen Einkommen sind unter Putin zwischenzeitlich um mehr als das Dreifache gestiegen. In Jelzins Anfangsjahren lag die Lebenserwartung eines männlichen Russen bei unter 60 Jahren. Heute liegt sie einiges höher.
Und die Russen können erstmals überhaupt ins Ausland fahren und sich ein eigenes Bild vom Westen machen. Viele kommen wieder zurück, weil ihnen nicht gefällt, was sie dort vorfinden. Auch das ist ein Verdienst Putins, der den angeknacksten Nationalstolz der Russen wieder hergestellt hat. Etwa, indem er der russisch-orthodoxen Kirche zu mehr Einfluss verhalf, die wiederum ihre Gläubiger aufruft, Putin zu folgen. Kürzlich hat sogar ein wichtiger Exponent der Kirche vorgeschlagen, Putin zum Zaren zu ernennen.
So weit dürfte es nicht kommen. Doch Putin hat seine Macht zementiert, und wird noch eine Weile an der Spitze bleiben. Sicher bis 2024, vielleicht noch einige Jahre länger.