Joe Biden (78) ist Bahn-Enthusiast durch und durch. Kein Wunder. Kaum ein US-Präsident hat mehr Zeit auf den Schienen verbracht als er. Er pendelte jahrelang mit der Bahn zwischen seinem Zuhause in Wilmington und seiner Arbeit als Politiker in Washington. Dabei nutzte er die Züge von Amtrak, der grössten Eisenbahn-Firma der USA.
Mehr als eine Stunde hin und wieder zurück. 120 Meilen pro Tag. Das entspricht etwa fast 200 Kilometern. Über die Jahre kamen so insgesamt über 1,5 Millionen zurückgelegte Meilen zusammen. Das brachte ihm den Spitznamen «Amtrak-Joe» ein.
Nun feierte das Unternehmen sein 50. Jubiläum. Da durfte Biden natürlich nicht fehlen. Er hielt eine Rede und erzählte eine Anekdote aus seiner Bahn-Zeit. So erinnerte sich der US-Präsident noch gut daran, als ihm ein Kondukteur zu seinen 1,5 Millionen Meile gratulierte.
Zugbegleiter Negri ging bereits 1993 in Rente
Damals sass Biden laut eigener Aussage gerade im Zug, um seine kranke Mutter zu besuchen. «Meine Mutter war krank und ich versuchte, als Vizepräsident fast jedes Wochenende nach Hause zu kommen, um sie zu sehen. Ich stieg in den Zug und der Kondukteur Angelo Negri kam auf mich zu», erzählte der US-Präsident. Der Zugbegleiter habe ihn gefragt, ob er wüsste, wie viele Meilen er bereits mit der Bahn gefahren sei. Und da habe Biden erfahren, dass er 1,5 Millionen Meilen mit Amtrak gereist sei.
Eine schöne Geschichte. Allerdings kann sie so nicht passiert sein. Biden zwar unter Obama von 2009 bis 2017 Vizepräsident. Negri allerdings ging aber bereits 1993 in Rente, wie US-Medien berichten.
Und nicht nur das: Biden datierte die Anekdote auf das Jahr 2013 oder 2014. Seine Mutter Catherine Finnegan (†92) starb im Jahr 2010. Das bedeutet, dass Biden seine Mutter in seinem vierten oder fünften Jahr als Vizepräsident gar nicht besuchen konnte. Sie war bereits tot.
Angeblicher Besuch bei Nelson Mandela erfunden
Weder Biden noch das Weisse Haus haben sich bisher zu der Zug-Geschichte geäussert. Es ist aber nicht das erste Mal, dass der US-Präsident eine seiner Anekdoten aufhübscht. So erzählte er während seiner Wahlkampftour, wie er Nelson Mandela im Gefängnis in Südafrika besuchte.
Dabei berichtete er, wie er von der Polizei daran gehindert werden sollte und zunächst verhaftet wurde. Die «New York Times» wies allerdings darauf hin, dass seine Verhaftung weder in seinen Memoiren noch bei irgendeiner der Gelegenheiten, bei denen er zuvor über den Nelson Mandela gesprochen hat, erwähnt hatte.
Auch Andrew Young (89), der ehemalige US-Botschafter bei der UNO, von dem Biden behauptete, er sei mit ihm verhaftet worden, widersprach ihm. Young bestätigte zwar, dass er tatsächlich mit Biden nach Südafrika gereist sei. Von einer Verhaftung wusste er aber nichts. (jmh)